Unsichtbare Narben: Die Auswirkungen von Mobbing auf die psychische Gesundheit

Mobbing ist ein alarmierendes und weitverbreitetes Problem, dessen Auswirkungen oft unterschätzt werden und das ernsthafte Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben kann. Es handelt sich hierbei um keine gewöhnliche Konfliktsituation, sondern um einen gezielten, wiederholten und schädlichen Angriff, der nicht nur körperliche, sondern auch emotionale Narben hinterlassen kann. Mobbing betrifft, wie von vielen angenommen, nicht nur Kinder, sondern auch jeder dritte Erwachsene in Deutschland war bereits betroffen und knapp die Hälfte wurde Zeuge einer solchen Attacke.

Die Stille der Betroffenen

Mobbing bezeichnet ein wiederholtes und absichtlich feindseliges Verhalten, bei dem eine Einzelperson oder eine Gruppe eine andere Person gezielt attackiert, belästigt, einschüchtert oder verletzt. Dieses Verhalten kann in verschiedenen Umgebungen auftreten, wie beispielsweise in Ausbildungsstätten, am Arbeitsplatz, im Internet oder in sozialen Gruppen. Typischerweise ist bei Mobbing ein ungleiches Machtverhältnis zwischen dem Täter und dem Opfer vorhanden.  Betroffene fühlen sich oft hilflos und isoliert, da das Mobbingverhalten kontinuierlich ist und darauf abzielt Schaden zuzufügen oder zu demütigen. Einer der schwierigsten Aspekte von Mobbing ist, dass die Opfer oft schweigen und ihre Qualen verbergen, da sie fürchten stigmatisiert oder als „schwach“ betrachtet zu werden. Genau dieses Schweigen führt nicht selten dazu, dass die Täter ohne Konsequenzen immer weiter ihr feinseliges Verhalten fortsetzen.

Wer sind die Betroffenen?

Es ist wichtig zu betonen, dass Leidtragende von Mobbing unterschiedliche Eigenschaften und Merkmale haben und es prinzipiell jeden treffen kann. Es gibt jedoch einige Faktoren, die das Risiko erhöhen können, zum Opfer von Mobbing zu werden:

  • Unsicherheit und geringes Selbstbewusstsein – Personen mit diesen Eigenschaften sind oft weniger in der Lage sich selbst zu verteidigen.
  • Anderssein oder Abweichen von der Norm – Personen, die sich durch ihre Kleidung, Interessen, ethnische Zugehörigkeit oder sexuelle Orientierung von der Masse abheben, bieten oftmals mehr Angriffsfläche für feindseliges Verhalten.
  • Sensibilität und Empathie – Menschen mit diesen Charakterzügen sind oft verletzlicher, was Mobber schnell erkennen und ausnutzen.
  • Zurückhaltendes oder ruhiges Verhalten – Wenn Personen den Anschein erwecken sich wenig gegen Mobbingattacken zu wehren, werden sie präferiert als Ziel für Mobbing ausgewählt.

Es ist wichtig zu betonen, dass diese begünstigenden Faktoren nicht die Schuld des Opfers sind und niemals als Rechtfertigung für Mobbing dienen dürfen. Mobbing ist ein inakzeptables Verhalten und die Verantwortung liegt immer bei den Ausführenden, die für ihr schädliches Verhalten verantwortlich gemacht werden müssen.

Verschiedene Gesichter von Mobbing

Mobbing kann in verschiedenen Formen auftreten und es ist wichtig diese zu erkennen, um angemessen darauf reagieren zu können:

Verbales Mobbing: Beinhaltet mündliche Angriffe, Beleidigungen, Verhöhnung, Drohungen oder das Verbreiten von Gerüchten über die betroffene Person.

Soziales Mobbing: Hier wird die betroffene Person bewusst ausgegrenzt, ignoriert oder isoliert. Andere Menschen in der Umgebung werden angehalten, den Leidtragenden zu meiden, was zu einer weiteren Isolation führt.

Körperliches Mobbing: Umfasst physische Aggressionen wie Schläge, Tritte, Stoßen, Haare ziehen oder andere Formen körperlicher Gewalt.

Cybermobbing: Diese Art von Mobbing findet online statt und umfasst belästigende Nachrichten, Beiträge oder Kommentare in sozialen Medien, diffamierende Bilder oder Videos sowie das Verbreiten von Gerüchten und Lügen.

Mobbing durch Manipulation: Hier werden die Geschädigten gezielt manipuliert und psychisch unter Druck gesetzt, um sie zu kontrollieren oder zu verunsichern. Manipulative Taktiken können Lügen, Erpressung oder das Ausnutzen von Schwächen der Betroffenen umfassen.

Mobbing am Arbeitsplatz: Dies bezieht sich auf feindseliges Verhalten, das in einem beruflichen Umfeld stattfindet. Es kann sich ähnlich wie anderes Mobbing verhalten, jedoch sind die negativen Konsequenzen zusätzlich gravierend für die Karriere.

Religiöses oder rassistisches Mobbing: Bei dieser Form des Mobbings werden Menschen aufgrund ihrer Religion, ethnischen Zugehörigkeit oder kulturellen Herkunft angegriffen oder diskriminiert.

Mobbing aufgrund von Geschlecht oder sexueller Orientierung: Auch hier werden Personen aufgrund der genannten Merkmale schikaniert, beleidigt oder diskriminiert.

Die seelischen Folgen solcher feindseliger Attacken

Genauso vielfältig wie die Art des Mobbings sein kann, genauso divers sind auch die möglichen Folgen für die psychische Gesundheit. Gerade weil Betroffene oft lange Schweigen und mit der sich kontinuierlich schlimmer werdenden Situation alleine dastehen, können folgende Konsequenzen auftreten:

Angst und Depression

Mobbing kann zu anhaltenden Gefühlen von Angst und Depression führen, wodurch sich Betroffene oft machtlos angesichts der Belästigungen und Schikanen fühlen.

Geringes Selbstwertgefühl

Hier zeigt sich ein Teufelskreis – gerade Personen mit geringem Selbstwertgefühl können betroffen sein und Mobbing schmälert dieses noch weiter.

Isolation und sozialer Rückzug

Mobbing führt oft dazu, dass sich die Betroffenen zurückziehen und soziale Kontakte meiden. Sie entwickeln nicht selten Angst auch von weiteren Personen in ihrem Umfeld abgelehnt zu werden oder fühlen sich unverstanden.

Schlafstörungen

Die anhaltende Belastung durch Mobbing kann zu Schlafstörungen führen, da die Betroffenen in der Nacht oft von Ängsten, Sorgen und traumatischen Erlebnissen geplagt werden.

Konzentrations- und Leistungsprobleme

Mobbing kann die Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigen und zu Leistungsproblemen führen, besonders in der Schule oder am Arbeitsplatz.

Posttraumatische Belastungsstörung

In schweren Fällen kann Mobbing bei den Betroffenen zu einer posttraumatischen Belastungsstörung führen, die durch Flashbacks, Albträume und eine anhaltende emotionale Belastung gekennzeichnet ist.

Selbstverletzendes Verhalten oder Suizidgedanken

In einigen Fällen können die psychischen Auswirkungen von Mobbing so schwerwiegend sein, dass die Betroffenen Selbstverletzung verüben oder sogar Suizidgedanken entwickeln.

Es ist wichtig zu betonen, dass Mobbing keine alltägliche Belästigung ist und ernst genommen werden muss. Die psychischen Folgen können das Leben der Opfer erheblich beeinträchtigen. Deshalb ist es von Bedeutung solche Angriffe zu erkennen, darüber zu sprechen und Unterstützung anzubieten, um den Betroffenen bei der Bewältigung zu helfen und ihnen eine Chance zur Heilung und Stärkung zu geben.

Das Schweigen brechen – Was Betroffene und auch die Gesellschaft tun können

Die Zahlen zeigen nicht nur eine hohe Zahl an Betroffenen, sondern auch eine noch höhere Zahl an Personen, die bereits Zeuge von Mobbing wurden. Natürlich ist es wichtig, dass sich die Opfer wehren. Da es ihnen jedoch oft schwer fällt, ist es auch die Aufgabe des gesamten Umfelds zu unterstützen. Auch das ist natürlich nicht immer einfach, da die helfenden Personen selbst nicht in das Visier der Täter geraten möchten – jedoch muss sich jeder Außenstehende fragen was er sich selbst in der Situation als Betroffener wünschen würde. Anbei folgt eine Übersicht an Handlungsoptionen:

Bewusstsein schaffen: Sowohl als Betroffener, als auch als Beobachter ist es wichtig sich über Mobbing und die Auswirkungen zu informieren. Es ist hilfreich diese Informationen im sozialen Umfeld, der Schule, dem Arbeitsplatz oder in der Gemeinschaft zu teilen, um das Bewusstsein für dieses Thema zu stärken.

Offenheit und Empathie: Es ist wichtig offen für Gespräche über Mobbing zu sein und andere zu ermutigen ihre Erfahrungen zu teilen. Außenstehende können aktiv zuhören und Empathie denjenigen gegenüber zeigen, die Mobbing erlebt haben.

Unterstützung suchen und anbieten: Nicht alleine in einer solchen Situation zu sein ist von großer Bedeutung. Hilfe kann bei Freunden, Familie, Lehrern, Kollegen oder professionellen Beratern gesucht werden.

Mobbing melden: Mobbing darf nicht ignoriert oder toleriert werden. Sowohl die Betroffenen, als auch die Beobachter sollten unbedingt auf das feindselige Verhalten reagieren. Wenn das alleine nicht ausreicht, gilt es weitere Verantwortliche im Umfeld auf die Situation aufmerksam zu machen.

Gemeinschaft fördern: Grundlegend gilt es in allen sozialen Situationen eine Kultur der Gemeinschaft und des Respekts zu schaffen, in der Mobbing keinen Platz hat. Präventionsprogramme können dabei die Bedeutung von Empathie, Toleranz und gegenseitiger Unterstützung stärken.

Vorbild sein: Mit gutem Beispiel voran zu gehen und sein Umfeld mit Respekt, Mitgefühl und Unterstützung zu begegnen, kann deutliche Auswirkungen auf das Verhalten von anderen haben. Ganz nach dem Motto: Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden möchtest!

Quellenangaben
  • Burfeind, Carsten: Mobbing am Arbeitsplatz erkennen und verstehen. Wiesbaden, 2020.
  • Bündnis gegen Cybermobbing e.V.: https://www.buendnis-gegen-cybermobbing.de/wp-content/uploads/2022/03/Mobbingstudie_Erwachsene_end_2021_fin.pdf, Abruf am 09.08.2023.
  • Landesmedienzentrum Baden-Württemberg: https://www.lmz-bw.de/medienbildung/themen-von-a-bis-f/cybermobbing/verbreitung-von-cybermobbing, Abruf am 09.08.2023.
  • Teuschel, Peter. Mobbing: Dynamik – Verlauf – gesundheitliche und soziale Folgen. Stuttgart, 2010.
Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Ärztlicher Direktor und Chefarzt Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether ist renommierter Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, bei dem stets der Mensch im Mittelpunkt steht: Dank seiner individuell abgestimmten, ganzheitlichen Behandlungspläne verbessert und personalisiert er die psychiatrische Versorgung kontinuierlich. Seine umfassende Expertise in der psychotherapeutischen und medikamentengestützten Behandlung erlangte er durch sein Studium der Humanmedizin an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, spezialisierte Weiterbildungen sowie seine langjährige Erfahrung in führenden Positionen. Seit 2019 ist Dr. med. Brolund-Spaether als Chefarzt und seit 2023 als Ärztlicher Direktor der LIMES Schlosskliniken AG tätig. 2024 trat er unserem Vorstand bei.

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