Erschütterte Seele: Was verbirgt sich hinter einer posttraumatischen Belastungsstörung?

Dass unser Körper verletzlich ist, ist uns allen bewusst. Verkehrsunfälle, Stürze, Sportverletzungen oder Gewalteinwirkungen können unseren Gliedmaßen oder unserem empfindlichen Kopfbereich Schaden zufügen. Gehirnerschütterung, Schleudertraumata, Brüche, Wunden… Davon haben wir alle schon gehört oder es eventuell selbst schon erlebt. Aber nicht nur der Körper ist verwundbar, sondern auch unsere Psyche. Uns können im Leben Dinge wiederfahren, die unsere psychische Widerstandskraft übersteigen. Diese Erfahrungen werden als traumatisierend oder traumatisch bezeichnet. Ist die Psyche durch ein solches Ereignis angegriffen, spricht man von einer posttraumatischen Belastungsstörung (abgekürzt: PTBS) oder einer Traumafolgestörung. Doch was sind die eindeutigen Symptome einer PTBS? Lesen Sie selbst!

Was bedeutet der Begriff „Trauma“?

Ins Deutsche übersetzt bedeutet das griechische Wort Trauma Verletzung. Ob es sich um eine körperliche oder seelische Verletzung handelt, können wir durch das Wort allein nicht direkt feststellen. Psychologen verstehen unter dem Begriff Trauma jedoch immer eine seelische Verletzung und bezeichnen es daher, ein wenig konkreter, als Psychotrauma (Wittchen & Hoyer, 2006).

Manchmal ist nicht sofort klar, ob mit dem Begriff das auslösende Ereignis gemeint ist, oder die nachfolgenden Symptome. Richtig ist es, das auslösende Ereignis als Trauma zu bezeichnen und die daraufhin entstehende Symptomatik als die posttraumatische Belastung oder Traumatisierung. Posttraumatisch bedeutet also, dass die Belastung zeitlich nach dem Erleben des Traumas auftritt.

Verschiedene Arten von Traumata

Es kann nicht vorhergesagt werden, welches Ereignis bei welcher Person zu einer posttraumatischen Belastungsstörung führt. Unsere Verarbeitungsmechanismen und Bewältigungsstrategien sind, wie wir selbst auch, extrem individuell. Daher können Traumatisierungen auch durch ganz unterschiedliche Situationen und Erfahrungen ausgelöst werden.

Trotzdem gibt es einige Ereignisse, die mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Traumatisierung verursachen, da sie für die meisten Menschen mit starker Belastung und großer Angst einhergehen. Die Wissenschaft gibt uns hier einen hilfreichen Klassifikationsansatz vor, der zwischen Typ I Trauma und Typ II Trauma unterscheide

Typ I Trauma

– Einmaliges Trauma
– Kurzer Zeitraum

Beispiele: Verkehrsunfall, Raubüberfall, sexueller Übergriff, Naturkatastrophe, Brände, Explosionen

Typ II Trauma

– Mehrmalige Traumata
– Langer Zeitraum

Beispiele: Misshandlung, Folter, Kriegserleben, Haft, wiederholte Gewalt, schwere Erkrankungen, langandauernde Naturkatastrophen, Entführungen

Die Forscher differenzieren außerdem, ob das Trauma durch andere Menschen ausgelöst wird („man made“), wie z.B. bei einem sexuellen Übergriff, oder ob es sich um einen Vorfall handelt, bei dem kein Täter ausgemacht werden kann. Es existieren natürlich viele weitere Formen von Traumatisierung, da es sich um eine höchst individuelle Erfahrung handelt. Beispiele sind:

  • Berufsbedingte Traumata (Polizisten, Soldaten, Feuerwehrmännern)
  • Zuschauer-Traumata (Zeugen von Katastrophen, Unfällen, Gewalt)
  • Sekundäre Traumata (Hören von Traumaberichten anderer)

Jeder Betroffene bringt seine eigene Traumatisierungsgeschichte mit! Wie bei allen psychischen Krankheiten muss jeder Mensch mit seinen persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen ganz detailliert betrachtet werden.

Was ist eine Traumafolgestörung?

Wir sprechen von einer Traumafolgestörung, wenn die belastenden psychischen Symptome klar auf ein ursächliches Ereignis zurückzuführen sind. Natürlich entwickelt nicht jeder eine solche Traumafolgestörung. Bei manchen Personen kommt es kurz nach dem Vorfall zu einer sogenannten akuten Belastungsreaktion. Diese Reaktion bezeichnen wir umgangssprachlich als „Schock“. Es ist durchaus möglich, dass die betroffene Person nach dem Schock keine weiteren Symptome mehr zeigt. Dafür können viele Faktoren sorgen, z.B. die psychische Widerstandskraft, die Betreuung nach dem Ereignis oder starker sozialer Rückhalt. Personen, die nach einem Trauma einen Schock erleiden, haben jedoch ein höheres Risiko dafür, zu einem späteren Zeitraum im Leben an einer PTBS zu leiden. Diese kann aber auch entstehen, wenn kurz nach dem Ereignis überhaupt keine Schockreaktion festzustellen war.

PTBS: Vier Buchstaben, die das Leben verändern

Wenn eine Person sich mit dem Verdacht auf eine PTBS in Behandlung begibt, dann hat der Arzt oder Psychotherapeut klare Vorgaben, wann er eine PTBS diagnostizieren kann. Er muss sich, wie alle Mediziner oder Therapeuten, an die Vorgaben der Klassifikation von Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) halten. Mithilfe des Diagnosehandbuchs ICD-10 der WHO bestimmt er, ob alle notwendigen Symptome vorliegen, um von einer PTBS zu sprechen:

  • Konfrontation mit einem traumatischen Stressor in der Vergangenheit (s.o. Psychotrauma)
  • Teile der Traumatisierung werden lebhaft wiedererinnert („flash backs“)
  • Reize oder Umgebungen, die an das Trauma erinnern, werden vermieden
  • Emotionale Taubheit und depressive Verstimmungen
  • Generelle Übererregung, Ängstlichkeit und Konzentrationsschwierigkeiten

Die Symptome für eine PTBS müssen über einen Zeitraum von einem Monat bestehen. Unbedingt zu bedenken ist die Tatsache, dass eine posttraumatische Belastungsstörung auch Jahre oder gar Jahrzehnte nach dem traumatischen Ereignis auftreten kann. Manchmal kommt sie quasi aus heiterem Himmeln ans Licht, manchmal aber auch im Zusammenhang mit anderen psychischen Erkrankungen, wie Depressionen oder Angststörungen.

Eine PTBS und ihre Folgen

Die soeben aufgezählten Diagnosekriterien wirken sachlich. Sie können über das tatsächliche Leiden der Betroffenen hinwegtäuschen. Stellen Sie sich vor, die quälendste Erinnerung Ihres Lebens kommt Ihnen immer wieder unvorbereitet in den Sinn und zwar mit einer Bildhaftigkeit und Genauigkeit, die Sie regelrecht umhaut. Betroffene einer PTBS erleben regelmäßig einen solchen „flash back“.

Damit geht natürlich eine große Angst einher. Angst vor Situationen oder Reizen, die die Erinnerung auslösen. Dieser Vorgang wird als „triggern“ bezeichnet. Das Leben wird immer mehr eingeschränkt, um diesen Auslösern aus dem Weg zu gehen. So wird es für manche Patienten unmöglich, Auto oder Bahn zu fahren, unter Leute zu gehen oder im Dunkeln unterwegs zu sein.

Dazu kommt eine emotionale Leere, die dazu führt, dass Dinge, die ehemals Freude bereitet haben, nichts mehr auslösen. Hobbys werden aufgegeben und Freundschaften vernachlässigt. Der Umgang mit vertrauten Menschen wird immer schwieriger, denn häufig begleiten auch eine hohe Reizbarkeit und Unruhe die Erkrankung. Der Leidensdruck der Betroffenen ist immens, doch führen Scham und Sorgen vor einer Stigmatisierung häufig dazu, dass eine Behandlung vermieden wird.

Weitere Diagnosemöglichkeit: Anpassungsstörung

Wenn nicht alle Symptome für eine PTBS vorliegen, oder das Beschwerdebild sich nicht eindeutig zuordnen lässt, wird die Diagnose einer Anpassungsstörung gestellt. Dies kann auch der Fall sein, wenn das Ereignis zwar schwerwiegende Folgen für den Betroffenen hat, aber nicht den oben genannten Kriterien für ein Psychotrauma entspricht. Beispiele sind der Verlust des Arbeitsplatzes oder eine schwierige Trennung vom Lebenspartner. Man sollte eine PTBS auch von einer Trauerreaktion abgrenzen. Denn Trauer ist ein normaler Vorgang, wenn ein geliebter Mensch von uns geht. Es ist im Einzelfall zu entscheiden, ob die Trauer ungewöhnlich lange anhält und ob die Todesumstände potenziell traumatisierend gewesen sind.

Was verbirgt sich hinter einer Traumatherapie ?

Die Behandlung der PTBS hat in den letzten Jahren viele Fortschritte gemacht und es sind neue, vielversprechende Behandlungsmethoden erprobt worden. Neben der Traumatherapie werden auch zusätzlich auftretende Symptome behandelt. Zu den häufigsten Begleiterkrankungen der PTBS gehören Depressionen, Angst- oder Zwangserkrankungen (Wittchen & Hoyer, 2006).

Ansätze der Traumatherapie näher erläutert

Die Ansätze der Traumatherapie unterscheiden sich in ihrer Vorgehensweise, da sie auf unterschiedlichen Erklärungsmodellen zur Entstehung einer PTBS basieren. In der Übersicht finden Sie Beispiele für Traumatherapien. Es existieren aber durchaus weitere Ansätze und oft kommt es zu einer Vermischung der Methoden, die sich als wirksam herausgestellt haben.

Kognitive Verhaltenstherapie

Veränderung von negativen, automatisierten Gedanken, Abbau des Vermeidungsverhaltens durch Konfrontation mit angstbesetzten Reizen, Triggeranalysen (nach Ehlers & Clark, 2000)

Narrative Ansätze

Wiedererleben des Traumas aus der Distanz heraus, autobiographische Arbeit, emphatische Unterstützung beim Wiedererzählen des Traumas (Nach der Emotionsverarbeitungstheorie nach Foa und Kozak, 1986)

EMDR

Eye Movement Desensitization and Reprocessing – Nachverarbeitung der belastenden Situation bei zusätzlicher Stimulation des Gehirns: Der Patient folgt mit den Augen der Fingerbewegung des Therapeuten (bilaterale Stimulation)
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Brauchen Sie Hilfe?

Wenn Sie oder einer Ihrer Angehörigen unter den geschilderten Symptomen einer PTBS leiden und Ihr alltägliches Leben dadurch beeinträchtigt wird, dann sollten Sie nicht zögern, einen Arzt oder Psychotherapeuten aufzusuchen – nur so kann Ihrer erschütterten Seele geholfen werden. An wen Sie sich wenden können und wie Sie so schnell wie möglich Hilfe bekommen, erfahren Sie hier.

So wie wir uns bei einer körperlichen Verletzung vertrauensvoll in die Hände von Ärzten begeben, sollten wir uns auch bei psychischen Verletzungen helfen lassen. Manchmal fällt es schwer, dies zu erkennen, denn psychische Wunden sind von außen nicht sichtbar. Aber es gibt sie und sie brauchen ebenso sorgsame Behandlung wie körperliche Wunden. Geben Sie Ihrer Seele die Chance auf Heilung, kümmern Sie sich um Ihre Wunden und Narben. Sie sind es wert.

Quellenangaben

(1) Ehlers, A., & Clark, D. M. (2000). A cognitive model of posttraumatic stress disorder. Behaviour research and therapy, 38(4), 319-345.

(2) Foa, E. B., & Kozak, M. J. (1986). Emotional processing of fear: exposure to corrective information. Psychological bulletin, 99(1), 20.

(3) Wittchen, H. U., & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie (Vol. 1131). Heidelberg: Springer.

Kategorien: Trauma

Christiane von Falkenhayn
Leitende Psychologin, Approbierte psychologische Psychotherapeutin Christiane von Falkenhayn
Dipl.-Psych. Christiane von Falkenhayn ist eine versierte leitende Psychologin und approbierte psychologische Psychotherapeutin, die sich durch ein tiefgehendes Verständnis verschiedener psychotherapeutischer Ansätze auszeichnet. Ihre Expertise umfasst spezialisierte Techniken in Verhaltenstherapie, Systemischer Therapie, Dialektisch Behavioraler Therapie und Traumatherapie. Durch ihr Studium der Psychologie an der Universität Trier und kontinuierliche Weiterbildungen erlangte sie umfassende Kenntnisse, die sie in ihrer Rolle als Leitende Psychologin in der LIMES Schlosskliniken AG täglich anwendet. Besonders geschätzt ist Christiane von Falkenhayn für ihre Empathie, mit der sie eine Atmosphäre des Vertrauens und der persönlichen Entwicklung schafft.

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