Was erwartet mich in einer Psychotherapie?

Psychische Erkrankungen können uns alle betreffen. Vom Top-Manager bis hin zum selbstständigen Handwerker, von der Unternehmerin bis hin zur frischgebackenen Mutter. Unsere Geschichten und Belastungen sind höchst individuell und das Leben kann manchmal unsere Ressourcen übersteigen. Das Gute ist, dass wir nicht auf uns allein gestellt sind, wenn wir in eine psychische Krise geraten. Wir müssen psychische Erkrankungen nicht mit uns selbst ausmachen, sondern können und sollten uns sogar Hilfe holen. Es gibt Menschen, die sich auf genau solche Situationen spezialisiert haben und Rat wissen: Die Rede ist von Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen.

Mit diesem Artikel liefern wir einen Überblick über verschiedene Formen der Psychotherapie, den Ablauf einer solchen Therapie und die Suche nach dem passenden Therapeuten!

Psychotherapie: Die Seele heilen

In einer Psychotherapie geht es zunächst darum, psychische Krankheiten zu überwinden. Zu diesen Erkrankungen gehören beispielsweise Depressionen, Angststörungen, Burnout, Zwangserkrankungen, Posttraumatische Belastungsstörungen oder Essstörungen. Zusätzlich werden Menschen in einer Psychotherapie in ihren persönlichen
Ressourcen gestärkt und erwerben neue Fähigkeiten, um mit schwierigen Situationen zukünftig besser umzugehen. Die Therapie beleuchtet also nicht nur die Schwächen, sondern auch die Stärken von ratsuchenden Menschen.

Über den Mut, sich Hilfe zu suchen

Es ist manchmal gar nicht so einfach, sich einzugestehen, dass man Hilfe braucht. Man stand doch immer mitten im Leben und soll jetzt auf einmal zu einem „Seelenklempner“? Was werden Familie, Freunde und Kollegen dazu sagen? Der Beginn einer Psychotherapie ist oft von Sorgen und Ängsten begleitet. Dabei ist der Beginn einer Psychotherapie eine starke Leistung! Sie übernehmen Verantwortung für sich selbst und damit auch für Ihre Umgebung.

Und Sie sind nicht allein: Jeder dritte Deutsche leidet in seinem Leben unter einer psychischen Erkrankung. Von den betroffenen Personen nimmt jeder zweite eine Psychotherapie in Anspruch. Weitere Zahlen & Fakten finden Sie auf der Website der DGPPN (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie).

Verschiedene Ansätze in der Psychotherapie

Grundsätzlich wird in der Psychotherapie mit zwischenmenschlicher Kommunikation gearbeitet. Es handelt sich um ein Gespräch zwischen Patient und Therapeut, in welchem der Therapeut verschiedene Interventionen anwendet, um den Patienten in seiner individuellen Lebenssituation zu beraten. Dabei gibt es verschiedene Formen der Therapie, die auch als verschiedene „Therapieschulen“ bezeichnet werden. In Deutschland gibt es drei Methoden, die vom Gesetzgeber offiziell zugelassen sind. Zugelassen bedeutet in dem Fall, dass die Kosten für die Therapie von der jeweiligen Krankenkasse übernommen werden.

Verhaltenstherapie

Die Arbeit findet in der Gegenwart statt
Basierend auf lerntheoretischen Prinzipien: Belastende Verhaltens- und Denkmuster werden erlernt und können auch wieder verlernt werden.

Tiefenpsychologisch fundierte Therapie

Analyse zugrunde liegender vergangener Ursachen der Erkrankung
Geht von einem dynamischen Unterbewusstsein aus, das unser Verhalten und Denken steuert.

Psychoanalyse

Tief in der Kindheit zurückliegende Erfahrungen werden thematisiert und bearbeitet
Umstrukturierung der Persönlichkeit und des Unterbewusstseins wird angestrebt.

Als grobe Orientierung kann der Hinweis gelten, dass in der Verhaltenstherapie vor allem aktuelle Symptome der psychischen Erkrankung besprochen werden und die Vergangenheit (zunächst) im Hintergrund bleibt. Bei der Psychoanalyse und der tiefenpsychologisch fundierten Therapie werden auch Ursachen der Symptome, die in der Kindheit und Jugend liegen eingehend erforscht. Inzwischen liegt der Schwerpunkt der Behandlung jedoch weitgehend auf der Persönlichkeitsebene, sodass die biographische Anamnese meist in jedem Verfahren fokussiert und beleuchtet wird.

Seit dem Jahr 2018 ist eine weitere Therapiemethode zugelassen: die systemische Therapie. Noch wird jedoch die endgültige Handhabung im Fachausschuss für Psychotherapie beraten. Ein Ergebnis wird im Jahr 2020 erwartet. Der systemische Therapieansatz betrachtet den Patienten in seinen zwischenmenschlichen Systemen, wie z.B. im System Beruf oder im System Familie. Es werden die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Personen im System beleuchtet.

Für welche Psychotherapieform entscheide ich mich?

Wir Menschen sind verschieden und haben auch im Hinblick auf Gesprächsformen unterschiedliche Präferenzen. Vor allem die zwischenmenschliche Beziehung zwischen Patient und Therapeut muss stimmig sein. Welche Therapierichtung für wen am besten geeignet ist, kann nicht genau vorhergesagt werden. Manchmal hängt die Wahl der Therapieform auch schlicht und ergreifend vom Wohnort und dem dort herrschenden Angebot ab. Es lohnt sich in jedem Fall, den Therapeuten einmal persönlich kennenzulernen, denn wenn die Chemie stimmt, gerät die Therapieform in den Hintergrund.

Ambulante oder stationäre Psychotherapie?

Auch bei diesem Thema lässt sich keine pauschale Empfehlung aussprechen: Je nach Schweregrad der Erkrankung ist eine Behandlung in einer Klinik oder aber die Behandlung in einer Praxis vorzuziehen. Ist der Betroffene beispielsweise in seiner alltäglichen Lebensführung stark beeinträchtigt oder findet in seinem Umfeld nicht genügend Ressourcen auf, um zu genesen, ist dies ein guter Indikator für eine stationäre Behandlung. Eine Psychotherapie in einer Klinik unterscheidet sich insofern von der ambulanten Therapie, als dass die einzelnen Sitzungen zwar kürzer sind, dafür aber öfter in der Woche stattfinden.

Zudem haben Betroffene die Möglichkeit sich in psychotherapeutischen Gruppentherapien mit Gleichgesinnten auszutauschen. Außerdem kann ein stationärer Aufenthalt eine ganzheitliche Behandlung der psychischen Erkrankung ermöglichen. Dies geschieht durch weitere Therapieangebote wie Ergotherapie, Entspannungstherapie oder Sporttherapie.

Wie läuft eine Psychotherapie ab?

Oft wird eine Psychotherapie vom Haus- oder Facharzt empfohlen und der Patient erhält eine entsprechende Überweisung. Es besteht aber auch die Möglichkeit, sich direkt an einen Psychotherapeuten zu wenden. Therapeuten oder Kliniken in der Nähe lassen sich über das Internet oder Telefonbuch finden. Der Erstkontakt findet in der Regel ganz unkompliziert per Telefon oder Email statt.

Das Erstgespräch

Bei einem Erstgespräch lernen sich Patient und Therapeut ganz behutsam das erste Mal kennen. Es werden Formalitäten besprochen, wie zum Beispiel die Aufklärung über die Schweigepflicht seitens des Therapeuten. Der Therapeut macht sich ein erstes Bild über die Symptome des Patienten und erhebt wichtige personenbezogene Daten. Weitere Termine für die probatorische Sitzung werden vereinbart. Keine Sorge: es geht also nicht direkt ans Eingemachte!

Probatorische Sitzungen

Zunächst finden die sogenannten probatorischen Sitzungen statt, das heißt eine Psychotherapie „auf Probe“. Jeder Patient hat ein Recht auf fünf probatorische Sitzungen, wobei das Erstgespräch bereits dazu zählt. Diese ersten Sitzungen übernimmt die Krankenkasse in jedem Fall. Wenn die Chemie stimmt, entscheiden sich Therapeut und Patient für eine weitere Zusammenarbeit. Der Therapeut stellt daraufhin einen Therapieantrag bei der Krankenkasse, welche dann letztendlich entscheidet, ob die angebotene Therapie im individuellen Fall passend und sinnvoll ist. Trifft dies zu, werden (je nach Richtung der Therapie) die Kosten für unterschiedlich viele Therapieeinheiten von der Krankenkasse übernommen.

Diagnostik

Ihr Therapeut hat die Aufgabe, eine umfassende Diagnostik mit Ihnen durchzuführen. Wundern Sie sich also nicht, falls Sie einige Fragebögen mit nach Hause bekommen und diese ausfüllen sollen. Dies dient dem Therapeuten zum Informationsgewinn und zur Diagnosestellung. Außerdem fordert der Psychotherapeut von Ihrem Hausarzt einen sogenannten Konsiliarbericht an, indem bestätigt werden muss, dass keine ursächliche körperliche Erkrankung vorliegt.

Therapiesitzungen

Die Psychotherapiesitzungen finden je nach Therapieschule ein- bis dreimal wöchentlich statt und dauern 45 – 90 Minuten. Der Einstieg in die Sitzung erfolgt oft über die Nachfrage nach der aktuellen Stimmung des Patienten. Häufig werden dann besonders kniffelige Situationen aus der letzten Zeit identifiziert, an denen Therapeut und Patient gemeinsam arbeiten.

Das weitere Vorgehen besteht beispielsweise aus dem:

  • Besprechen von Handlungsalternativen
  • Überlegen von gesundheitsförderlichen Strategien
  • Bearbeiten von angstbesetzten Erinnerungen

Zum Beispiel lernt ein Patient, der unter Panikattacken leidet und daher bestimmte Orte und Situationen vermeidet, wie er mit seiner Angstsymptomatik so umgehen kann, dass er das Gefühl der Kontrolle beibehält. Nach und nach und ganz vorsichtig wird er mit angstbesetzten Situationen konfrontiert, so dass er sich allmählich an sie gewöhnt und sein Leben wieder angstfrei leben kann.

Abschluss der Therapie

Wie lange sich Menschen in einer Psychotherapie befinden ist völlig unterschiedlich. Bei manchen psychischen Erkrankungen, wie z.B. Angsterkrankungen oder Depressionen sind auch schon sogenannte Kurzzeittherapien mit 12 oder 24 Therapieeinheiten erfolgversprechend. Natürlich kann danach bei Bedarf eine Langzeittherapie angeknüpft werden. Hier hängt es wieder von der Therapieschule ab, wie lange die Therapie angesetzt wird. Bei der Verhaltenstherapie sind es 60 Stunden, bei der Psychoanalyse sogar 300.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung liefert hier weitere Informationen. Gemeinsam mit dem Therapeuten werden Sie merken, wann es an der Zeit ist, die Therapie zu beenden. Das Ziel ist letztendlich, dass Sie wieder mit Zufriedenheit am Leben teilhaben zu können.

Wissenswertes über Psychotherapie

Eine Psychotherapie ist für die meisten Menschen Neuland. Sie haben in diesem Artikel bereits erfahren, welche Psychotherapieschulen es gibt und wie eine Therapie sich in etwa gestaltet. Oft lässt einen die Fülle an Angeboten und der doch etwas komplizierte Weg hin zur passenden Therapie aber trotzdem ratlos zurück. Sie werden auf ihrem Weg außerdem mit vielen, ganz schön ähnlich klingenden Berufsbezeichnungen konfrontiert. Wir bringen Licht ins Dunkle der Psychotherapiesuche und erklären, mit wem Sie es im Psychotherapie-Dschungel zu tun haben werden!

Wartezeiten für Psychotherapie?

Momentan übersteigt der Bedarf an psychotherapeutischer Behandlung die tatsächliche Versorgungslage in Deutschland. In der Vergangenheit kam es vor allem im ländlichen Raum häufig zu sehr langen Wartezeiten für eine Behandlung. Dabei benötigen Betroffene häufig schnelle Hilfe. Der Psychotherapie-Informationsdienst hat sich dieser Problematik angenommen und unterstützt bei der Therapeutensuche. Außerdem können Therapeuten hier freie Therapieplätze online bereitstellen, sodass eine Behandlung schnellstmöglich beginnen kann.

Je nach Bundesland kann man sich auch an die Kassenärztliche Vereinigung wenden, um nach freien Plätzen zu suchen. Natürlich gibt es noch die Möglichkeit für die private Versorgung. Manche Therapeuten behandeln ausschließlich privatversicherte Patienten. In manchen Fällen übernehmen aber auch die gesetzlichen Versicherer eine Privatbehandlung. Informieren Sie sich hierzu am Besten bei Ihrer Krankenkasse.

Wer macht eigentlich was?

Viele Berufsfelder beschäftigen sich mit dem Thema Psychologie oder psychischen Erkrankungen. Die Bezeichnungen der Tätigkeiten ähneln sich sehr. Dennoch ist es wichtig, unterscheiden zu können wer für welche Aufgabe zuständig ist. Lernen Sie die verschiedenen Berufsbezeichnungen kennen:

Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie

Medizinstudium und Erlaubnis zur Verschreibung von Medikamenten
Ursprünglich Psychiater genannt. Er übernimmt die Einstellung der Medikation, überwacht den Verlauf der Behandlung und steht in engem Austausch mit den Therapeuten.

Psychologischer Psychotherapeut

Psychologiestudium mit anschließender Ausbildung zum Psychotherapeuten
Ist befähigt, Personen mit psychischen Erkrankungen zu behandeln. Wie genau die Behandlung aussieht, hängt von der Ausbildungsrichtung (s.o.) ab. Er darf keine Medikamente verschreiben.

Ärztlicher Psychotherapeut

Medizinstudium mit anschließender Ausbildung zum Psychotherapeuten
Auch Fachärzte für Psychiatrie können eine Therapieausbildung machen. In diesem Fall dürfen Sie zusätzlich auch Medikamente verschreiben.

Psychologe

Psychologiestudium ohne anschließender Ausbildung zum Psychotherapeuten
Übernimmt z.T. die Diagnostik, darf aber keine Psychotherapie anbieten.

Psychologischer Berater

Ausschließlich beratende Funktion
Darf bei kurzfristigen Belastungssituationen beratend zur Seite stehen, es ist ihm jedoch nicht erlaubt, diagnostizierte psychische Erkrankungen zu behandeln.

Heilpraktiker für Psychotherapie

Ausbildung zum Heilpraktiker
Hat nicht zwangsläufig studiert, sondern eine Heilpraktiker- Ausbildung absolviert. Er darf nicht über die Krankenkasse abrechnen.

Den ersten Schritt machen

Egal, ob Sie selbst betroffen sind, oder eine geliebte Person in Ihrem Umfeld. Sie haben den ersten Schritt bereits getan, indem Sie sich mit dem Thema auseinandersetzen und Informationen sammeln. Informierte Patienten und Angehörige können den Therapieprozess bereits erleichtern. Der Beginn einer psychotherapeutischen Behandlung ist ein Meilenstein im Verlauf einer psychischen Erkrankung. Auf und Abs gehören dazu. Wir sind (glücklicherweise) keine starren Roboter ohne Gefühle. Nehmen Sie es in Angriff, es wird sich lohnen! Für die heilsame Reise durch ihre Psyche wünsche ich Ihnen viel Kraft, eine große Portion Mut und ein kleines Quäntchen Glück!

Kategorien: Therapie

Verena Klein
Autor Verena Klein
"Die LIMES Schlosskliniken haben sich auf die Behandlung von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen spezialisiert. Mit Hilfe des Blogs möchten wir als Klinikgruppe die verschiedenen psychischen Erkrankungen näher beleuchten und verschiedene Therapien sowie aktuelle Themen vorstellen."

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