Richtig streiten: Die Kunst der Konfliktlösung

Konflikte sind in menschlichen Beziehungen unvermeidlich. Doch WIE wir streiten, macht den entscheidenden Unterschied zwischen einer destruktiven Eskalation und einer konstruktiven Lösung. Richtiges Streiten ist eine Kunst, die erlernt und kultiviert werden kann, um Beziehungen zu stärken und Probleme effektiv anzugehen.

Warum es zu Streitigkeiten kommt

Konflikte können aus einer Vielzahl von Gründen entstehen und sind oft das Ergebnis von unterschiedlichen Interessen, Bedürfnissen und Ansichten zwischen Menschen oder Gruppen. Einige der häufigsten Ursachen sind Folgende:

Unterschiedliche Meinungen – Menschen haben individuelle Erfahrungen, Werte und Perspektiven. Wenn diese Unterschiede aufeinandertreffen, können Konflikte zu bestimmten Themen oder Entscheidungen entstehen.

Kommunikationsprobleme – Missverständnisse sind häufig, da Kommunikation komplex ist. Unterschiede in Tonfall, Körpersprache oder Wortwahl können zu Verwirrungen führen und unbeabsichtigte Auseinandersetzungen auslösen.

Unerfüllte Erwartungen – Menschen haben oft unausgesprochene Ansprüche an andere. Wenn diese nicht erfüllt werden, kann Frustration entstehen und es zu Streitigkeiten kommen.

Ego und Stolz: Das menschliche Ego und der Stolz können verhindern, dass nachgegeben oder sich entschuldigt wird. Dies kann Konflikte verschärfen und ihre Lösung verhindern.

Angst vor Veränderung – Umbrüche, sei es in Beziehungen oder im beruflichen Umfeld, können Unsicherheit und Angst auslösen. Genannte Gefühle können zu Spannungen führen und Konflikte entfachen.

Macht- und Kontrollbedürfnisse – Streit kann auch aus Machtkämpfen oder dem Bedürfnis entstehen, die Kontrolle zu behalten. Dies kann in verschiedenen Umgebungen auftreten, wie zum Beispiel zwischen Kollegen oder in familiären Beziehungen.

Stress und emotionale Belastung – Herausfordernde Lebenssituationen, persönliche Probleme oder psychische Belastungen können die Frustration erhöhen und zu heftigen Auseinandersetzungen führen.

Mangelnde Empathie und Verständnis – Schlussendlich kann auch die Unfähigkeit, sich in die Lage anderer zu versetzen oder ihre Perspektive zu verstehen, zu Konflikten führen, da die Bedürfnisse und Gefühle anderer nicht angemessen berücksichtigt werden.

Auswirkungen auf die Beteiligten

Streitigkeiten sind nicht nur belastend für die Beziehungen zwischen Menschen, sondern können auch eine Reihe von psychischen und physischen Auswirkungen auf die einzelnen Beteiligten haben:

Emotionale Belastung: Streit kann starke Emotionen wie Ärger, Frustration, Enttäuschung und Wut hervorrufen. Gerade wenn ein Konflikt länger anhält und die begleitenden Gefühle nicht ausreichend bewältigt werden können, kann es zu psychischen Erkrankungen, wie einer Depression, kommen.

Stress und körperliche Gesundheit: Andauernder Streit kann zu chronischem Stress führen, der sich negativ auf das Immunsystem auswirken und das Risiko für gesundheitliche Probleme wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Magen-Darm-Beschwerden erhöhen kann.

Schlafprobleme: Auseinandersetzungen können zu Schlafstörungen führen, da Gedanken rund um das Streitthema das Einschlafen und Durchschlafen erschweren.

Verminderte Konzentration und Leistungsfähigkeit: Die aus Konflikten entstehenden negativen Emotionen können die Fähigkeit zur Konzentration und zur Bewältigung von Aufgaben am Arbeitsplatz oder in anderen Bereichen des Lebens vermindern.

Beeinträchtigung der Beziehung: Wiederholter Streit kann Beziehungen belasten und das Vertrauen untergraben. Ungelöste Konflikte können zu Distanzierung und emotionaler Entfremdung führen.

Negative Gedankenmuster: Streit kann zu schädlichen Gedankenmustern führen, bei denen sich Menschen auf die negativen Aspekte fokussieren und Schwierigkeiten haben, positive Aspekte zu sehen.

Soziale Isolation: Streitigkeiten können dazu führen, dass Menschen sich von sozialen Aktivitäten zurückziehen oder sich isolieren, um weitere Konflikte zu vermeiden.

Die Nuancen des Streitens: Partner, Familie, Freunde und Kollegen

Die Art und Weise, wie Konflikte in verschiedenen Kontexten angegangen werden, kann stark variieren.

In einer Partnerschaft beispielsweise sind Emotionen oft intensiver, da beide Personen eng miteinander verbunden sind. Streit kann persönlicher sein, da die wahren Gefühle und Unsicherheiten häufig offengelegt werden. Wichtige Faktoren sind hier Einfühlungsvermögen, aktives Zuhören und die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen. Das Ziel ist in der Regel die Klärung von Missverständnissen, um die Beziehung zu stärken.

Familiäre Konflikte können besonders komplex sein, da sie oft auf langjährigen Dynamiken basieren. Hier sind Respekt vor den Generationen und Traditionen ein wichtiger Aspekt. Konflikte können intensiver sein, da Familienmitglieder sich oft sehr nahe stehen und tiefe emotionale Bindungen haben. Die Fähigkeit zur Vergebung und die Bereitschaft, über Differenzen hinwegzusehen, spielen eine große Rolle.

Streitigkeiten unter Freunden sind hingegen oft lockerer, da die Beziehung weniger formell ist als etwa eine Partnerschaft. Hier kann Humor eine Rolle spielen um Spannungen zu mildern. Freunde sollten in der Lage sein ehrlich miteinander umzugehen. Offenheit, Verständnis und die Fähigkeit Kritik anzunehmen sind wichtige Aspekte.

Im beruflichen Umfeld sind Streitigkeiten oftmals sachlicher und weniger persönlich. Hier geht es um unterschiedliche Arbeitsstile, Meinungen oder Rollen. Konflikte sollten respektvoll gelöst werden um die Zusammenarbeit nicht zu gefährden. Kommunikation, Kompromissbereitschaft und das Finden von gemeinsamen Zielen sind Schlüsselfaktoren, um Konflikte am Arbeitsplatz zu bewältigen.

Streitigkeiten gehören zum Leben dazu

Grundsätzlich können also diverse Situationen und Beziehungen Konflikte entstehen lassen. Leider passiert es oft, dass sie außer Kontrolle geraten und zu verletzenden Worten, Missverständnissen und emotionalen Verwüstungen führen. Wie kann also gelernt werden richtig zu streiten?

  1. Kommunikation ist der Schlüssel:

Der erste Schritt zu einer konstruktiven Streitkultur ist die Kommunikation. Offenheit und Ehrlichkeit sind essentiell, um die eigentlichen Gründe der Auseinandersetzung zu verstehen. Es sollte vermieden werden Vorwürfe zu machen und stattdessen die eigenen Gefühle und Bedürfnisse klar ausgedrückt werden. Aktives Zuhören ist ebenfalls wichtig und gibt dem Gesprächspartner das Gefühl gehört zu werden.

  1. Respekt wahren:

Auch wenn die Emotionen hochkochen, ist es entscheidend den Respekt füreinander zu wahren. Beleidigende Bemerkungen, Verurteilungen oder Abwertungen sollten vermieden werden. Es ist wichtiger sich auf die Problemlösung zu konzentrieren, anstatt persönliche Angriffe zu starten.

  1. Beim Thema bleiben:

Ein häufiger Fehler in Streitgesprächen ist es, vom eigentlichen Thema abzuschweifen. Die Diskussion sollte fokussiert gehalten werden und Ablenkungen vermieden werden. Das hilft dabei, das Problem zu identifizieren und gezielt anzugehen.

  1. Zeit und Raum geben:

Manchmal ist es ratsam eine Pause einzulegen, wenn die Emotionen zu intensiv werden. Dies gibt beiden Parteien die Möglichkeit sich zu beruhigen und zu reflektieren. Es kann geplant werden das Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen, um sicherzustellen, dass der Konflikt nicht ignoriert wird.

  1. Gemeinsame Lösungen finden:

Ein konstruktives Streitgespräch sollte das Ziel haben gemeinsame Lösungen zu finden. Statt darauf zu beharren Recht zu haben, sollten beide Parteien nach Kompromissen suchen, die beiden gerecht werden. Das erfordert Flexibilität und die Bereitschaft aufeinander zuzugehen.

  1. Vergebung und Versöhnung:

Am Ende eines Streitgesprächs ist es wichtig Vergebung und Versöhnung in Betracht zu ziehen. Es sollte nicht an alter Verärgerung festgehalten werden und Bereitschaft bestehen den Konflikt hinter sich zu lassen. Dies stärkt nicht nur die Beziehung, sondern fördert auch persönliches Wachstum.

Fazit: Richtiges Streiten ist mehr als nur das Lösen von Konflikten; es ist ein Prozess des Verständnisses, des Respekts und der gemeinsamen Entwicklung. Indem gelernt wird auf eine konstruktive Weise zu streiten, können Beziehungen vertieft und Hindernisse überwunden werden. Streitigkeiten sind normal, der Umgang mit ihnen definiert jedoch die Qualität der Beziehungen. Wenn es schlussendlich absolut nicht möglich sein sollte mit Auseinandersetzungen eigenständig umzugehen, können Experten wie Psychotherapeuten oder Coaches zur Hilfe herangezogen werden.

Quellenangaben
  • Heigl, Norbert J.: Konflikte verstehen und steuern. Wiesbaden, 2013.
  • Hoedt, Francine: Konflikt-Coaching: Ein Praxisleitfaden. Göttingen, 2021.
  • Mahlmann, Regina. Konflikte managen: psychologische Grundlagen, Modelle und Fallstudien. Weinheim, 2001.
  • Schwarz, Gerhard. Konfliktmanagement: Konflikte erkennen, analysieren, lösen. Wiesbaden, 2013.
Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Ärztlicher Direktor und Chefarzt Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether ist renommierter Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, bei dem stets der Mensch im Mittelpunkt steht: Dank seiner individuell abgestimmten, ganzheitlichen Behandlungspläne verbessert und personalisiert er die psychiatrische Versorgung kontinuierlich. Seine umfassende Expertise in der psychotherapeutischen und medikamentengestützten Behandlung erlangte er durch sein Studium der Humanmedizin an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, spezialisierte Weiterbildungen sowie seine langjährige Erfahrung in führenden Positionen. Seit 2019 ist Dr. med. Brolund-Spaether als Chefarzt und seit 2023 als Ärztlicher Direktor der LIMES Schlosskliniken AG tätig. 2024 trat er unserem Vorstand bei.

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