Generalisierte Angststörungen

Angststörungen können in unterschiedlichen Formen auftreten. Am bekanntesten ist die spezifische Phobie (zum Beispiel vor Spinnen, Höhe oder Spritzen). Des Weiteren gibt es die Panikstörung, bei der Patienten unter Panikattacken leiden. Bei einer sozialen Phobie kommt es zu Ängsten in sozialen Interkationen. Die generalisierte Angststörung ist eher unbekannt. Sie führt dazu, dass sich Betroffene permanent Sorgen machen und Angst empfinden. Die Sorgen kreisen zum Beispiel um zukünftige Ereignisse, das Wohlergehen der Familie oder die eigene Gesundheit.

Normale Sorgen oder generalisierte Angststörung?

Es ist normal, dass wir uns ab und zu sorgen. Die Zukunft ist nicht hundertprozentig vorhersehbar. Unsere Sorgen machen zum Teil auch Sinn, denn sie machen uns wachsamer und bereiten uns auf Eventualitäten vor. Dennoch – und das kennen wohl die meisten Menschen – können diese Sorgen sehr lästig sein und uns im schlimmsten Fall lähmen.

Der Sorgenprozess
Eine kleine Befürchtung kann im Kopf einen Sorgenprozess auslösen. Es wird quasi der Motor des sich-Sorgens angeschmissen. Bei Patienten mit generalisierter Angststörung passiert dies häufiger als bei gesunden Personen. Ihr Verstand produziert unkontrolliert immer wieder neue Befürchtungen, die den Sorgenprozess in Gang bringen.

Normales Sorgen vs. pathologisches Sorgen
Wie bereits erwähnt ist ein gewisses Maß Sorgen normal und sogar hilfreich. Wann genau werden die Sorgen pathologisch, d.h. krankhaft? Wann besteht eine generalisierte Angststörung? Um das einzuschätzen, betrachten Psychologen folgende Kennzeichen:

Ausmaß der Unkontrollierbarkeit der Sorgen: Können sich die Betroffenen ablenken oder den Sorgenprozess stoppen? Bei einer generalisierten Angststörung werden die Sorgen und Befürchtungen als unaufhaltbar erlebt und bewegen sich in unaufhörlichen Schleifen.
Anlässe der Sorgen: Ist der Anlass der Sorgen angemessen oder sind es Sorgen, die nicht auf der aktuellen Situation beruhen? Liegt eine generalisierte Angststörung vor, dann treten die Sorgen auch unabhängig von aktuellen Anlässen permanent auf.
Häufigkeit und Länge des Sorgenprozesses: Patienten mit generalisierter Angststörung sorgen sich im Durchschnitt sechs Stunden pro Tag. Ein Sorgenprotokoll hilft dabei, das Ausmaß der Sorgen einzuschätzen.
Leidensdruck aufgrund der Sorgen: Ist der Leidensdruck bei den Betroffenen selbst oder aber auch bei Angehörigen bereits hoch, dann spricht dies für eine behandlungsbedürftige generalisierte Angststörung.

Diese Kennzeichen sollten berücksichtigt werden, wenn sich die Frage stellt, ob sich die Sorgen verselbstständigt haben und sich eine generalisierte Angststörung entwickelt hat.

Weitere Symptome der generalisierten Angststörung

Es gibt neben den sehr ausgeprägten Sorgen noch weitere Symptome der generalisierten Angststörung. Es kann zu Ruhelosigkeit, leichter Ermüdbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Reizbarkeit, erhöhte Muskelspannung und Schlafstörungen kommen. Zudem muss für die Diagnose ein Zeitkriterium beachtet werden. Die Sorgen müssen bereits seit sechs Monaten an den meisten Tagen bestehen. Es ist zu dem typisch für die Störung, dass die Symptome phasenweise zu- oder abnehmen. Dies hängt häufig mit dem allgemeinen Stresslevel der betroffenen Person zusammen.

Ursachen der generalisierten Angststörung

Die Ursachen, die zu einer generalisierten Angststörung führen, sind komplex. Manche Menschen sind bereits aufgrund ihrer Persönlichkeit eher unsicher und ängstlich. Sie laufen schneller Gefahr, eine generalisierte Angststörung zu entwickeln. Zudem kann es sein, dass reale und angemessene Befürchtungen durch das permanente sich-Sorgen vermieden werden. Drehen sich die Sorgen permanent im Kreis, dann ist es sehr schwierig, sich wirklich handfest mit einem drängenden Thema auf konstruktive Art und Weise auseinanderzusetzen. Die Sorgen sind in diesem Fall ein Ausweg aus der Konfrontation mit schwierigen Themen.

Zwei Arten von Sorgen

Betrachtet man das Störungsbild der generalisierten Angststörung genauer, zeigen sich zwei Typen von Sorgen, deren Zusammenspiel die Störung entstehen lässt und aufrechterhält (Wells, 1995):

  • Sorgen, die sich um konkrete Ereignisse und Gefühle drehen (zum Beispiel Finanzen, Familie, soziale Beziehungen, Wohnsituation, Gesundheit) und
  • Sorgen, die sich um die Sorgen selbst drehen (Meta-Sorgen).

Um dem komplexen Mechanismus der Entstehung und Aufrechterhaltung auf die Schliche zu kommen, müssen die Meta-Sorgen genau betrachtet werden. Es stellt sich heraus, dass die Patienten ihre Sorgen entweder positiv oder aber negativ bewerten.

Positive Bewertung:

· „Ohne mich zu sorgen, würde ich oberflächlich, eingebildet und rücksichtslos wirken.“

· „Sich-sorgen hilft mir bei der Problemlösung.“

· „Geschieht etwas Schlimmes, über das ich mich vorher nicht gesorgt habe, dann bin ich verantwortlich.“

Negative Bewertung:

· „Ohne Kontrolle über meine Gedanken werde ich verrückt.“

· „Meine Gedanken stören meine Konzentration.“

· „Ich wäre eine stärkere Persönlichkeit, würde ich mich weniger sorgen.“

Die Sorgen werden also einerseits als störend, andererseits aber als nützlich empfunden. Positiv betrachtet werden sie als aktiver Versuch der Problemlösung eingeschätzt, ob sie nun zu einem Ergebnis führen oder nicht. Zudem hilft das sich-Sorgen machen vermeintlich dabei, die eigene Unsicherheit zu lindern. Die Sorgen haben also eine gewisse Funktion. Diese Funktion wirkt selbstverstärkend, sodass die Sorgen immer größere Ausmaße annehmen.

Exkurs: Der komplizierte Begriff „Unsicherheitsintoleranz“ wird häufig mit der generalisierten Angststörung in Verbindung gebracht. Er beschreibt, dass betroffene Personen mit Unsicherheiten und Unwägbarkeiten nicht umgehen können. Sie sind sehr wachsam auf zukünftige Ereignisse, um gut auf sie vorbereitet zu sein. Sie haben die Tendenz, die Zukunft als unsicher und belastend zu erleben. Dementsprechend treten viele Sorgen auf und das Risiko für eine generalisierte Angststörung steigt.

Therapie der generalisierten Angststörung

Bei der Behandlung der generalisierten Angststörung gibt es unterschiedliche Ansatzpunkte. Zum einen das kognitive Hinterfragen der Meta-Sorgen, zum anderen die Konfrontation mit den eigentlichen Befürchtungen. Hinzu kommt die Erhöhung der Toleranz für Unsicherheit, zum Beispiel durch Verhaltensexperimente. Beispielhaft könnten in der Behandlung also folgende Themen auftauchen:

  • Hinterfragen der Unkontrollierbarkeit: Faktoren erarbeiten, die die Sorgen beeinflussen (zum Beispiel Ablenkung, Grübelstopp, Anwesenheit anderer Personen…).
  • Informationsvermittlung: Sorgen sind alltäglich. Fast alle Menschen sorgen sich mindestens einmal pro Tag, Sorgen sind nicht gefährlich.
  • Paradoxe Intervention: Anweisung, so viel wie möglich zu grübeln, kann das Grübeln im Nachhinein verringern.
  • Sorgenstuhl: Das sich-Sorgen machen zeitlich und örtlich begrenzen, zum Beispiel nur eine halbe Stunde pro Tag auf einem speziell ausgewählten Stuhl.
  • Verhaltensexperiment: Aktiv in eine Situation begeben, in der man sich viel sorgt. Dabei die Sorgen protokollieren und schauen, was im Nachhinein wirklich aufgetreten ist.
  • Befürchtungskonfrontation: Die Befürchtung ganz konkret beschreiben und durchleben, damit verworrene und vage Sorgen abnehmen.

Bei der generalisierten Angststörung handelt es sich um eine komplexe Erkrankung. Der Therapeut muss behutsam vorgehen und mit dem Patienten gemeinsam ein Störungsmodell entwickeln. Beide müssen nachvollziehen können, wie sich der Sorgenprozess verselbstständigt hat und welche Denkinhalte besonders vorherrschend sind. Durch passende Interventionen und intensive Zusammenarbeit kann der Weg aus der Sorgenfalle gefunden werden.

Quellenangaben

(1) Wells, A. (1995). Meta-cognition and worry: A cognitive model of generalized anxiety disorder. Behavioural and cognitive psychotherapy, 23(3), 301-320.

(2) Wittchen, H. U., & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie (Vol. 1131). Heidelberg: Springer.

Kategorien: Angststörungen

Christiane von Falkenhayn
Leitende Psychologin, Approbierte psychologische Psychotherapeutin Christiane von Falkenhayn
Dipl.-Psych. Christiane von Falkenhayn ist eine versierte leitende Psychologin und approbierte psychologische Psychotherapeutin, die sich durch ein tiefgehendes Verständnis verschiedener psychotherapeutischer Ansätze auszeichnet. Ihre Expertise umfasst spezialisierte Techniken in Verhaltenstherapie, Systemischer Therapie, Dialektisch Behavioraler Therapie und Traumatherapie. Durch ihr Studium der Psychologie an der Universität Trier und kontinuierliche Weiterbildungen erlangte sie umfassende Kenntnisse, die sie in ihrer Rolle als Leitende Psychologin in der LIMES Schlosskliniken AG täglich anwendet. Besonders geschätzt ist Christiane von Falkenhayn für ihre Empathie, mit der sie eine Atmosphäre des Vertrauens und der persönlichen Entwicklung schafft.

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