Inside Burn(out) – Wie sich ein Burnout auf Magen und Darm auswirkt

„Stress schlägt auf den Magen!“, „Diese Sache muss ich erst einmal verdauen!“, „Das verdirbt mir den Appetit!“ Wir kennen alle belastende Situationen im Alltag, die genau diese Redewendungen erschaffen haben. Sie erzählen davon, wie unser Körper auf ein emotionales Ungleichgewicht reagiert und uns zwingt den Fuß kurzzeitig vom Gas zu nehmen.

Doch was, wenn diese Belastungen keine Ausnahme sind und damit auch die Magen-Darm Probleme ab einem gewissen Zeitpunkt überhandnehmen und uns immer regelmäßiger aufsuchen, gar der Alltag nicht mehr zu bewältigen ist? Ab diesem Zeitpunkt könnte es sein, dass uns unser Körper auf eine Burnout Erkrankung aufmerksam machen möchte. Vielleicht fragen Sie sich manchmal selbst: Was ist mit mir los? Ist das schon Burnout oder bin ich nur ein bisschen überarbeitet?

Wichtig: Jeder vierte Bundesbürger gibt an häufig unter Stress zu stehen, die Hälfte davon glaubt sogar von Burnout bedroht zu sein und 6 von 10 Befragten klagen über typische Burnout Symptome wie anhaltende Erschöpfung, innere Anspannung und Rückenschmerzen. (Pronova BKK, 2018)

Was ein Burnout-Syndrom von „normalem“ Stress unterscheidet

Burnout lässt sich als ein Zusammenspiel aus körperlichen und emotionalen Erschöpfungszuständen definieren, welche aus einer fortwährenden beruflichen und/oder privaten Stresssituation resultieren. Doch Vorsicht, Burnout ist nicht gleich Stress! Erst eine länger anhaltende Stressepisode – chronischer Stress – kann zu einem dauerhaften Ungleichgewicht zwischen Anspannung und Erholung führen. Resultat dieser gestörten Balance ist dann meist eine enorm abgeschwächte Leistungsfähigkeit. Folgende Stressoren können beispielsweise für chronischen Stress verantwortlich sein:

Physische Stressoren: Krankheit, Reizüberflutung, Klimabedingungen, Hunger
Psychische Stressoren: Über- oder Unterforderung, Versagensängste, Zeitdruck
Soziale Stressoren: Negatives Betriebsklima, fehlende Anerkennung, Konflikte

Ob nun aus den genannten Stressoren tatsächlich chronischer Stress entsteht, hängt von unserer individuellen Bewertung der Situation, den verfügbaren Ressourcen zur Bewältigung sowie der Intensität und Dauer der Stressoren ab.

Die Hauptsymptome des Burnouts

Das Burnout-Syndrom ist durch einen Zustand der Erschöpfung, Entfremdung und verringerten Leistungsfähigkeit gekennzeichnet. Aussagen wie: „Ich kann nicht mehr!“ oder „Stress auf der Arbeit, und zu Hause wächst mir über den Kopf.“, sind typische Warnsignale für einen beginnenden Leidensweg.

Erschöpfung: Der Betroffene hat das Gefühl, emotional und körperlich ausgebrannt zu sein. Emotional zeigt sich dies in Niedergeschlagenheit, Angstgefühlen und innerer Leere. Symptome, die ebenfalls mit Depressionen assoziiert sind. Auf der körperlichen Ebene kommt es beispielsweise zu chronischer Müdigkeit, Magen-Darm-Problemen und Verspannungen.

Entfremdung: Gekennzeichnet durch eine distanzierte, gleichgültige Einstellung gegenüber der Arbeit und anderen Menschen entsteht hier ein sukzessiver Abbau von Anteilnahme, Zielstrebigkeit und sozialen Beziehungen. Nicht selten wird all dies durch Zynismus ersetzt – Freunde werden als Belastung erlebt, Vorgesetzte als Bedrohung und Kollegen als Plage.

Verringerte Leistungsfähigkeit: Der Betroffene erlebt einen Verlust des Vertrauens in seine eigenen Fähigkeiten und nimmt sich als Versager wahr. Für jegliche Aufgaben werden nun mehr Anstrengung und Zeit benötigt. Ebenfalls wird auch die Regenerationszeit immer länger. Ein langes Wochenende oder ein Urlaub reichen plötzlich nicht mehr aus, um neue Energie zu sammeln.

Wenn Magen und Darm unter „Burnout“ leiden – Ein Fallbeispiel

Herr S. hat drei Kinder, ein Haus mit Garten und arbeitet als Abteilungsleiter. Man würde sein Leben als „erfüllt“ bezeichnen. Im Job gilt er als Arbeitstier. Keine Aufgabe ist ihm zu schwer. Seine Belastbarkeit scheint unendlich. Er übernimmt oft Abendschichten, schiebt Wochenenddienste und bemüht sich gleichzeitig möglichst viel Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Im letzten Jahr wurde bei seiner Mutter Demenz diagnostiziert und er versucht nun zusätzlich noch möglichst viele Arzttermine mit ihr gemeinsam wahrzunehmen. Die ersten Ausfallerscheinungen machen sich bemerkbar.

Immer wieder wacht er nachts mit Sodbrennen auf und verspürt weniger Appetit als zuvor. Der schlechte Schlaf zeigt seine Folgen in kleineren Fehlern auf der Arbeit oder dem Vergessen von Terminen. Durch viel Koffein und Medikamente versucht er sich zusammenzureißen. Er benötigt mehr Zeit und Energie für Aufgaben, die er früher mit links erledigte. Zunächst schiebt Herr S. all dies auf sein Alter und macht lockere Sprüche darüber. Schließlich kommen jedoch auch anhaltende Bauschmerzen und Durchfälle hinzu und sein Hausarzt muss ihn das erste Mal krankschreiben. Herr S. ist zutiefst verunsichert und die Selbstzweifel beginnen an ihm zu nagen.

Das Bauchhirn als wichtiger Teil des Nervensystems

Magen und Darm gehören zu den am häufigsten betroffenen Organen, die verrücktspielen, wenn wir aus dem Gleichgewicht geraten. Doch, woher weiß unser Bauch zum Beispiel, dass wir Sorgen um unsere kranke Mutter machen oder das Arbeitspensum uns gerade maßlos überfordert? Der Magen-Darm-Trakt verfügt tatsächlich über ein eigenes Nervensystem – auch Bauchhirn genannt – , welches in enger Kommunikation mit unserem Gehirn steht. Demnach ist es nicht verwunderlich, dass bei permanenter Anspannung, Unruhe oder Angst manche Menschen mit Durchfall oder Magenschmerzen reagieren.

Ebenfalls bekannt ist, dass Stresshormone für die Freisetzung verschiedener Verdauungsenzyme sorgen, was wiederum für eine verringerte Durchblutung und Bewegung des Magen-Darm-Traktes sorgt. Die Produktion schützender Schleimstoffe wird heruntergefahren, unsere Schleimhäute können ungehindert von der Magensäure angegriffen werden und entzündliche Prozesse werden in Gang gesetzt. Zu den Hauptsymptomen gehören:

  • Sodbrennen
  • Verstopfung
  • Magenschmerzen
  • Blähungen
  • Übelkeit
  • Durchfall
  • Appetitlosigkeit
  • Bauchschmerzen
  • Völlegefühl

Selbst, wenn organisch alles in Ordnung ist, kann es zu den oben aufgeführten Beschwerden und Symptomen kommen. Mediziner sprechen hier von einem sogenannten Reizmagen oder Reizdarm, für dessen Entstehung chronischer Stress der ausschlaggebendste Faktor ist.

Behandlungsansätze

Die Behandlung von Burnout – eingeschlossen der daraus entstandenen körperlichen Symptome – besteht aus verschiedenen Komponenten und wird individuell auf die Bedürfnisse des Betroffenen abgestimmt. Umso früher die Intervention erfolgt, desto besser verläuft der Heilungsprozess. Zu Beginn der Behandlung stehen häufig die Stärkung persönlicher Ressourcen und Entspannung sowie die Linderung der körperlichen Symptome.

Es gibt Patienten, die von einer unvorstellbaren Dimension an Stressoren berichten: Einer 80-Stunden-Woche, Mahlzeiten unterwegs, viel Kaffee, wenig Schlaf oder der Pflege todkranker Angehöriger. Und sie können sich trotz alldem nicht vorstellen, warum ihr Magen-Darm-System Beschwerden macht.

An diese Stelle muss zunächst mal gelernt werden die Stressfaktoren zu würdigen. Erst dann kann die Auseinandersetzung mit den Ursachen des Burnouts erfolgen, um Verhaltensweisen und Umstände langfristig zu verändern. In diesem Zusammenhang helfen Entspannungstechniken, Verhaltenstherapie, Körpertherapie, Gruppentherapie und tiefenpsychologische Verfahren.

Ziele der Burnout-Therapie im Überblick

  • Grenzen rechtzeitig erkennen und einhalten
  • Führen eines gesunden Lebensstils (z.B. ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung)
  • Erlernen von Bewältigungstechniken für Stresssituationen (z.B. Meditation)
  • Förderliche Arbeitsbedingungen schaffen und bei Bedarf die Arbeitssituation verändern
  • Hilfe annehmen und Aufgaben abgeben
  • Pflege von sozialen Netzwerken und Hobbys

Die Burnout-Therapie verfolgt also das Ziel ein Gleichgewicht von Anspannung und Entspannung (Work-Life-Balance) wieder herzustellen. Dies geht in vielen Fällen jedoch nicht von heute auf morgen. Sind die Beschwerden des Burnout-Syndroms sehr stark ausgeprägt, ist es unter Umständen sinnvoll, die psychotherapeutische Behandlung stationär in einer Klinik durchzuführen.

Quellenangaben

Deutsches Ärzteblatt: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/92312/Jeder-Zweite-fuehlt-sich-von-Burnout-bedroht, Abruf am 11.01.2022

Konig, Roland: Schnelle Hilfe Bei Burnout: Leicht Anwendbare Methoden Für Psychotherapeuten, Coaches und Betroffene. Wiesbaden, 2020.

Matura, Silke ; Oertel, Viola: Bewegung und Sport gegen Burnout, Depressionen und Ängste. Berlin, Heidelberg, 2017.

Stock, Christian: Burnout: Erkennen und verhindern. Freiburg, 2015.

Kategorien: Burnout

Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Ärztlicher Direktor und Chefarzt Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether ist renommierter Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, bei dem stets der Mensch im Mittelpunkt steht: Dank seiner individuell abgestimmten, ganzheitlichen Behandlungspläne verbessert und personalisiert er die psychiatrische Versorgung kontinuierlich. Seine umfassende Expertise in der psychotherapeutischen und medikamentengestützten Behandlung erlangte er durch sein Studium der Humanmedizin an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, spezialisierte Weiterbildungen sowie seine langjährige Erfahrung in führenden Positionen. Seit 2019 ist Dr. med. Brolund-Spaether als Chefarzt und seit 2023 als Ärztlicher Direktor der LIMES Schlosskliniken AG tätig. 2024 trat er unserem Vorstand bei.

Diesen Beitrag teilen