Gefangen im Grauschleier: Ein Blick in den Alltag mit Depressionen

Depressionen sind eine unsichtbare Last, die viele Menschen auf ihren Schultern tragen. Sie sind mehr als nur traurig zu sein oder eine schlechte Phase durchzumachen – es handelt sich um eine ernsthafte psychische Erkrankung, die das tägliche Leben erheblich beeinflusst. Im Folgenden wollen wir einen einfühlsamen Blick darauf werfen, wie sich eine Depression im Alltag für die Betroffenen anfühlt.

Kurz erklärt – Das Wesen der Depression

Eine Depression ist eine psychische Erkrankung, die das emotionale, kognitive und physische Wohlbefinden einer Person beeinträchtigt. Weltweit gehört sie zu den häufigsten psychischen Erkrankung, nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind mehr als 264 Millionen Menschen jeden Alters betroffen.

Häufige Symptome von einer Depression sind:

  • Niedergeschlagene Stimmung
  • Interessenverlust
  • Schlafstörungen
  • Erschöpfung
  • Appetitveränderungen
  • Konzentrationsprobleme
  • Selbstzweifel
  • Soziale Isolation

Die Ursachen von Depressionen sind komplex und können genetische Veranlagung, biochemische Faktoren, belastende Lebensereignisse, chronischen Stress oder eine Kombination verschiedener Einflüsse umfassen.

Unsichtbare Hürden im Alltag

Eine der schwierigsten Facetten der Depression ist, dass sie oft nicht sichtbar ist. Äußerlich mag der Betroffene normal erscheinen, während er innerlich einen intensiven Kampf ausfechtet. Folgende Herausforderungen prägen den Alltag:

Der morgendliche Kampf: Ein neuer Tag beginnt, aber oft fühlt es sich an, als ob gegen eine unsichtbare Kraft angekämpft werden muss, um aus dem Bett zu kommen. Der Morgen kann zu einer regelrechten Schlacht werden, in der Selbstmotivation und die Überwindung der Erschöpfung im Fokus stehen.

Die Leere im Inneren: Depression wird oft als eine tiefe Leere beschrieben, die das Herz und die Seele durchdringt. Selbst inmitten von Menschen kann sich der Betroffene einsam und abgeschnitten fühlen. Die Welt erscheint grau und farblos, als ob die Lebensfreude aus dem eigenen Leben gewichen wäre.

Die Maske des Lächelns: Die Kunst nach außen hin normal zu wirken, während innerlich ein Sturm tobt, ist eine ständige Herausforderung. Das Tragen einer emotionalen Maske, um nicht aufzufallen, kann erschöpfend sein und erschwert oft das Verständnis von anderen.

Energieverlust und Erschöpfung: Ein ständiges Gefühl der Erschöpfung begleitet viele Menschen mit Depressionen. Selbst alltägliche Aktivitäten können enormen Energieaufwand erfordern. Die geringste Anstrengung kann sich anfühlen, als würde man einen Marathon laufen und die Motivation Dinge zu tun schwindet oft rapide.

Der Balanceakt im sozialen Leben: Soziale Interaktionen können für jemanden mit Depressionen besonders herausfordernd sein. Die Angst vor Unverständnis oder Ablehnung kann isolieren. Der Versuch soziale Verpflichtungen zu erfüllen steht im Kontrast zur inneren Leere und Erschöpfung.

Die unvorhersehbaren Wellen: Depressionen sind keine lineare Reise. Manchmal fühlen sich Betroffene besser, nur um dann von einer Welle der Niedergeschlagenheit überrollt zu werden. Der Umgang mit diesen unvorhersehbaren Schwankungen erfordert Flexibilität und Selbstakzeptanz.

Die Suche nach Lichtblicken: Trotz der Dunkelheit gibt es Lichtblicke. Die Herausforderung besteht darin, diese Momente zu erkennen und zu schätzen. Kleine Siege im Alltag können zu wichtigen Werkzeugen werden, um den Weg durch die Depression zu erleichtern.

Die Angst vor Stigmatisierung

Wie bereits erwähnt ist die Angst vor Unverständnis und Benachteiligung ihres Umfeldes bei Erkrankten oft so groß, dass sie ihre Situation mit nur wenigen Menschen teilen. Diese Furcht vor Ablehnung ist leider auch nicht unbegründet, da Stigmatisierung bei Depressionen immer noch vorherrscht – sowohl in subtiler als auch offensichtlicher Form:

Abwertende Sprache: Die Verwendung von abwertenden Begriffen oder scherzhaften Kommentaren in Bezug auf Depressionen kann dazu beitragen die Stigmatisierung zu verstärken. Solche Äußerungen minimieren die Ernsthaftigkeit der Erkrankung und können Betroffene davon abhalten offen über ihre Gefühle zu sprechen.

Unverständnis und Bagatellisierung: Die Nichtanerkennung von Depressionen als ernsthafte Erkrankung und das Bagatellisieren der damit verbundenen emotionalen Belastung verstärken das Stigma. Wenn Menschen die Schwere der Depression nicht verstehen und sie als eine vorübergehende Phase oder als „nicht so schlimm“ abtun, führt das zu Missverständnissen und zusätzlichem Leid für die Betroffenen.

Soziale Ausgrenzung: Menschen mit Depressionen können sozial ausgegrenzt werden, sei es durch bewusstes Vermeiden oder durch unbewusste Handlungen. Freunde, Familie oder Kollegen können auf Distanz gehen, weil sie unsicher sind wie sie mit der Erkrankung umgehen sollen, was zu Isolation und Einsamkeit führen kann.

Berufliche Benachteiligung: Stigmatisierung kann auch am Arbeitsplatz auftreten. Menschen mit Depressionen können mit Vorurteilen konfrontiert sein, die ihre beruflichen Fähigkeiten und Zuverlässigkeit betreffen. Dies könnte zu mangelndem Vertrauen seitens der Arbeitgeber oder Kollegen führen und sich auf Beförderungen oder berufliche Chancen auswirken.

Eigenverantwortung und Schuldzuweisung: Ein stigmatisierender Gedanke ist oft die Annahme, dass Menschen mit Depressionen selbst für ihre Situation verantwortlich sind oder dass sie ihre Probleme einfach „überwinden“ können, wenn sie nur wollen. Diese Art von Denken überträgt Schuld auf die Betroffenen und ignoriert die komplexen Ursachen von Depressionen.

Mangelnde Empathie und Unterstützung: Das Fehlen von Empathie und Unterstützung von Freunden, Familie oder der Gemeinschaft im Allgemeinen kann dazu beitragen, dass sich Menschen mit Depressionen isoliert und unverstanden fühlen. Das Unvermögen die Herausforderungen, die mit der Erkrankung einhergehen, nachzuvollziehen verstärkt ebenfalls das Stigma.

Die Reduzierung von Stigmatisierung erfordert eine bewusste Anstrengung, mehr Aufklärung über psychische Gesundheit und eine Veränderung der Einstellung in der Gesellschaft. Offene Gespräche, Sensibilisierungskampagnen und die Förderung von Empathie können dazu beitragen das Bewusstsein zu schärfen und das Stigma um Depressionen zu reduzieren.

Hilfen und Unterstützung für Betroffene

Es ist wichtig zu betonen, dass Depressionen behandelbar sind. Ein wesentlicher erster Schritt besteht darin professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein erfahrener Therapeut oder Psychiater kann helfen die zugrunde liegenden Ursachen zu verstehen sowie Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Auch die Einführung eines strukturierten Tagesablaufs mit festen Zeiten für Aufstehen, Essen, Arbeit und Ruhephasen kann stabilisierend wirken und helfen das Gefühl von Kontrolle zurückzugewinnen. Weiterhin können große Aufgaben überwältigend erscheinen. Durch das Setzen kleiner, erreichbarer Ziele können Betroffene allmählich ihr Selbstvertrauen stärken. Dies kann einfache Aufgaben, wie das Erledigen von Hausarbeiten oder kurze Spaziergänge umfassen. Darüber hinaus können kreative Tätigkeiten wie Kunst, Schreiben oder Musik eine Möglichkeit für Erkrankte sein die eigenen Emotionen auszudrücken und zu verarbeiten. Zu guter Letzt, auch wenn es herausfordernd ist, sind Kontakte mit vertrauten Personen von großer Bedeutung, um sich nicht durch Einsamkeit noch schlechter zu fühlen.

Quellenangaben
  • Leutgeb, U. (2016). Episodische Depressionen: Erfolgreiche und effektive Behandlung in der Praxis. Hogrefe AG, Bern.
  • Schweiger, U. & Sipos, V. (2021). Depressionen verstehen – mit Depressionen leben: Der Ratgeber für Betroffene und Angehörige. Verlag Herder, Freiburg im Breisgau.
Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Ärztlicher Direktor und Chefarzt Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether ist renommierter Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, bei dem stets der Mensch im Mittelpunkt steht: Dank seiner individuell abgestimmten, ganzheitlichen Behandlungspläne verbessert und personalisiert er die psychiatrische Versorgung kontinuierlich. Seine umfassende Expertise in der psychotherapeutischen und medikamentengestützten Behandlung erlangte er durch sein Studium der Humanmedizin an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, spezialisierte Weiterbildungen sowie seine langjährige Erfahrung in führenden Positionen. Seit 2019 ist Dr. med. Brolund-Spaether als Chefarzt und seit 2023 als Ärztlicher Direktor der LIMES Schlosskliniken AG tätig. 2024 trat er unserem Vorstand bei.

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