Rückfallprophylaxe bei Depressionen

Depressive Episoden können gut behandelt werden. Nach einiger Zeit stellt sich eine Besserung der Symptome ein und die Betroffenen finden nach und nach den Weg zurück in den Alltag. Dennoch sollte das Thema Depressionen nicht aus den Augen verloren werden. Denn: Depressive Erkrankungen haben ein hohes Rückfallrisiko.

Rückfallprophylaxe bei Depressionen – Die eigene Krankheit gut kennenlernen

Wenn die Symptome der Depression abklingen, ist es Zeit, an die Vorbeugung weiterer Episoden zu denken. Am Ende einer stationären oder ambulanten Therapie werden die Patienten dazu angeleitet, ein Frühwarnsystem für Krisensituationen zu entwickeln. So soll eine erneute depressive Episode schnellstmöglich erkannt werden. Dies ist von besonderer Bedeutung, denn je früher eine Depression bemerkt wird, desto schneller können Behandlung und Genesung einsetzen.

Es gibt sieben Fragen, die sich Patienten mit Depressionen in der Vorgeschichte stellen sollten, um eine aufkommende Depression schnell zu erkennen und im Krisenfall Strategien zu anzuwenden (in Anlehnung an Losekam & Konrad, 2017).

Wie sehen die Frühsymptome meiner Depression aus?

Rückblickend können Patienten nach einer depressiven Episode oft sagen, dass diese nicht über Nacht entstanden ist. Es gab im Vorfeld Warnzeichen, die jedoch (oft) nicht wahrgenommen wurden. Typische Frühwarnzeichen für Depressionen sind:

  • Schlafstörungen: Erschwertes Einschlafen oder frühes Erwachen
  • Appetitlosigkeit oder Appetitsteigerung
  • Grübeln und ständiges Gedankenkreisen
  • Aufgeben von Freizeitaktivitäten aus dem Gefühl heraus, keine Zeit oder Lust mehr zu haben
  • Vernachlässigung des Äußeren oder der Wohnung
  • mangelnde Konzentrationsfähigkeit

Die Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn bei jedem Patienten gibt es andere Frühwarnsymptome. Es lohnt sich also genau hinzusehen: Was sind meine individuellen Frühwarnzeichen?

Woran kann ich einen depressiven Einbruch erkennen?

Manchmal sind diese Frühwarnzeichen für Depressionen schwer zu erkennen und ein frühzeitiges Eingreifen nicht mehr möglich. Dann ist trotzdem von Bedeutung, sich einzugestehen, dass eine depressive Episode vorliegt. Die klassischen Symptome einer Depression sind bekannt, aber viele Betroffene können „ihre“ Depression auf ganz persönliche Art und Weise beschreiben. Hier ein paar Beispiele aus der Praxis:

  • Eine Patientin bezeichnete ihre Depression als „Brummkreisel-Syndrom“. Sie kommt körperlich und seelisch einfach nicht mehr zur Ruhe, alles in ihr war rast- und haltlos.
  • Ein weiterer Patient nannte einen Tunnelblick als sehr typisch für seine Depression.
  • Eine andere Patientin merkte, dass eine Depression im Anmarsch war, weil ihr Gesicht ihr wie eine Maske erschien und sie keine Emotionen mehr zeigen konnte

Wichtig ist zudem, auf bestimmte Gedankeninhalte zu achten. Wird zum Beispiel der innere Kritiker übermäßig laut und bringt ständig zerstörerische Gedanken zutage (z.B. „Du bist nichts wert“ oder „Du kannst nichts“), dann sollte die Aufmerksamkeit auf das psychische Wohlbefinden gelenkt werden.

Wie kann ich harmlose Stimmungsschwankungen von beginnenden Depressionen unterscheiden?

Viele Patienten, die eine depressive Episode erlebt haben, denken mit unguten Gefühlen an die Zeit zurück. Es herrscht oft große Sorge vor einer erneuten Erkrankung. Daher sind manche sogar zu sensibel, was negative Stimmungen angeht und befürchten schnell, dass sich eine neue Episode anbahnt. Aber negative Gefühle gehören zum Leben dazu und sie werden immer mal wieder vorkommen.

Bei schlechter Stimmung sollte nicht gleich das Schlimmste befürchtet werden. Zunächst sollte man prüfen, ob es einen konkreten Anlass gibt. Wenn ja, dann ist die schlechte Stimmung durchaus verständlich! Zudem sollte man stets den Zeitraum der Stimmung im Blick halten. Geht sie nach einer Weile wieder vorüber, dann ist erstmal Entwarnung gegeben.

Ab welchem Punkt sollte ich bestimmte Strategien selbstständig anwenden?

Es ist sinnvoll, die Strategien (s. nächste Frage) schon möglichst früh einzusetzen. Zu einem frühen Zeitpunkt ist die Handlungsfähigkeit noch hoch. Es ist die nötige Energie vorhanden, um Gegenmaßnahmen anzuwenden.

Welche Strategien setze ich dann ein?

Es gibt Strategien, die gegen die Frühsymptome einer Depression helfen. Jeder Patient muss aber individuell entscheiden, welche Maßnahmen in seinem Fall sinnvoll sind. Bewährte Strategien, die bei vielen Betroffenen helfen, sind:

  • Verhaltensaktivierung: Etwas unternehmen, sich bewegen oder unter Leute gehen
  • Interessen/Hobbys: Lesen, ins Kino gehen, Sport treiben
  • Entspannungstechniken: Meditieren, Yoga, Progressive Muskelrelaxation
  • Stressabbau: Aufgaben abgeben, Arbeitszeit reduzieren
  • Selbstfürsorge: Wellness, Auszeit nehmen
  • das Gespräch mit vertrauten Personen oder Fachperson suchen
  • Gedanken entschärfen und/oder infrage stellen
  • altes Therapiematerial durchblättern und sich an wertvolle Inhalte erinnern
  • Skills anwenden: Notfallmethoden, um sich abzulenken (z.B. Konzentrationsübungen, starke Geschmäcke, Gerüche, Balancieren…)

Ab welchem Punkt sollte ich meinen Therapeuten / Psychiater kontaktieren?

Diese wichtigen Kontaktdaten sollten Sie immer zur Hand haben. Sollte die Vorahnung über eine erneute depressive Episode länger als eine Woche anhalten, sollten die behandelnden Fachpersonen informiert werden. Der Therapeut kann an bereits erlernte Techniken oder allgemeine Ressourcen anknüpfen, während der Psychiater ggf. die Medikation anpassen kann.

Wichtig: Auch die korrekte Medikamenteneinnahme gehört zu einer nachhaltigen Rückfallprophylaxe. Antidepressiva sollten auch nach dem Abklingen einer Episode noch eine Weile eingenommen werden. Auf keinen Fall sollten die Medikamente abrupt oder ohne Rücksprache mit dem Psychiater abgesetzt werden.

Ab welchem Punkt sollte ich in einer Klinik anrufen?

Sobald sich das Gefühl tiefer Verzweiflung einstellt und möglicherweise suizidale Gedanken auftreten, sollte (ggf. nach Absprache mit dem Therapeuten und dem Psychiater) sofort eine Fachklinik informiert werden. Im Notfall kann eine stationäre Aufnahme in die Wege geleitet werden

Schnell handeln bei Depressions-Symptomen

Es ist wichtig, sich nach einer depressiven Episode über diese Fragen Gedanken zu machen. Falls die Beantwortung der Fragen Schwierigkeiten bereitet, können der Therapeut und auch Angehörige helfen, sie zu beantworten. Eine effektive Rückfallprophylaxe ist ein essenzieller Bestandteil einer erfolgreichen Depressionsbehandlung!

Quellenangaben

(1) Losekam, S., & Konrad, C. (2017). Psychoedukation. In Therapie der Depression (pp. 15-30). Springer, Berlin, Heidelberg.

Kategorien: Depressionen

Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Ärztlicher Direktor und Chefarzt Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether ist renommierter Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, bei dem stets der Mensch im Mittelpunkt steht: Dank seiner individuell abgestimmten, ganzheitlichen Behandlungspläne verbessert und personalisiert er die psychiatrische Versorgung kontinuierlich. Seine umfassende Expertise in der psychotherapeutischen und medikamentengestützten Behandlung erlangte er durch sein Studium der Humanmedizin an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, spezialisierte Weiterbildungen sowie seine langjährige Erfahrung in führenden Positionen. Seit 2019 ist Dr. med. Brolund-Spaether als Chefarzt und seit 2023 als Ärztlicher Direktor der LIMES Schlosskliniken AG tätig. 2024 trat er unserem Vorstand bei.

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