Wenn es heißt, Abschied zu nehmen: Trauer und Trauerbewältigung

Alles hat seine Zeit: Es gibt eine Zeit der Freude, eine Zeit der Stille, eine Zeit des Schmerzes, der Trauer und eine Zeit der dankbaren Erinnerung.

Unser Leben ist ein Wechselspiel aus Anfängen und Abschieden, neuen Dingen und Beständigkeit, hellen und dunklen Stunden. Das Auf und Ab und die damit verbundene Veränderung ist ein natürlicher Teil des Menschseins, dennoch kann es uns sehr schwerfallen, den Lauf der Dinge zu akzeptieren.

Besonders der Verlust eines Menschen, dem wir uns besonders verbunden fühlen, erfüllt uns mit Schmerz und Trauer. Es ist für uns kaum zu fassen, dass die geliebte Person von uns gegangen ist. Doch wie unser gesamtes Leben, ist auch die Trauer ein Weg, den wir gehen müssen und der sich aus verschiedenen Etappen zusammensetzt.

Schwere Zeiten

Der Verlust eines nahestehenden Menschen stellt das Leben auf den Kopf. Wir befinden uns in einer Extremsituation, ganz gleich ob es sich um einen plötzlichen Tod oder um einen Tod nach langer Krankheit handelt.

Unterschiede im Ausdruck von Trauer
Wie wir auf einen Verlust reagieren und ihn verarbeitet, ist individuell abhängig. Zum Beispiel können Religion, Herkunft oder die momentane Situation einen starken Einfluss auf die Trauerreaktion haben.

  • Herkunft und Kultur: In manchen Kulturen gibt es sog. „Klageweiber“, die nach einem Todesfall gemeinsam mit der Familie den Verlust beklagen und dabei helfen, der Trauer Ausdruck zu verleihen. Auch die Farbe, die mit Verlust assoziiert wird, ist je nach Kultur unterschiedlich: Während in der westlichen Welt die Farbe Schwarz mit Trauer verbunden wird, ist es in anderen Kulturen Weiß.
  • Religion: Die Religionszugehörigkeit beeinflusst den Umgang mit der Trauer maßgeblich. Auch die Gestaltung der Beerdigung und des Grabes hängt stark von der Religion ab.
  • Erziehung und Sozialisation: Die Erziehung und das soziale Umfeld beeinflussen den Umgang mit traurigen Erlebnissen.
  • Persönlichkeitsstruktur: Jeder hat eine eigene Persönlichkeit, die sich auch auf den Umgang mit Verlust auswirkt.
  • Situation: Das Alter und die Situation kann die anfängliche Trauerreaktion stark beeinflussen. Zum Beispiel zeigen Eltern ihre Trauer bei einem Verlust offen vor ihren Kindern.

Obwohl der Umgang mit Tod und Verlust so stark variiert, haben Psychologen versucht, Phasen der Trauer zu bestimmen. So hat Elisabeth Kübler-Ross ein Modell entwickelt, das die Trauerphasen beschreibt (nach: Hucke, 2017).

Die Phasen der Trauer

Wichtig bei der Betrachtung der Phasen ist, dass sie nur Erfahrungswerte abbilden, wie ein Trauerprozess bei Menschen ablaufen kann. Nicht jeder Mensch macht alle Phasen durch. Zudem kann die Länge der Phasen ganz unterschiedlich sein, dazu später mehr.

1. Verleugnung

Kurz nach dem Verlust befinden sich Hinterbliebene in einer Phase der Verleugnung. Es herrscht ein Gefühl des „Nicht-wahrhaben-wollens“. Häufig kommen Emotionen wie Wut, Verzweiflung und Entsetzen auf.

2. Zorn

Gefühle wie Wut und Ärger überraschen viele trauernde Personen, denn sie werden im Trauerprozess erstmal nicht erwartet. Es ist aber normal, dass ein gewisser Zorn auf die verstorbene Person entsteht oder auf andere Menschen, die noch am Leben sind. Dieser Zorn kann das Umfeld trauernder Personen erschrecken und unerwartet treffen, sollte aber bewusst verarbeitet werden.

3. Verhandeln

Hierbei handelt es sich laut Kübler-Ross um eine, oft sehr kurze, Phase des Haderns mit dem Schicksal oder eine Art Freikaufen durch bestimmte Handlungen, nach dem Motto „wenn ich nun dies tue, dann…“. Es kommt zu verstärktem Aktionismus, ziellosem Handeln und Flucht in extreme Formen von Religion.

4. Depression

Wenn die tiefe Erkenntnis des Todes einer geliebten Person durchdringt, ist der Schmerz mitunter körperlich greifbar. Die Symptome ähneln dann denen einer Depression: Es kommt zu tiefer Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, stark negativen Stimmung und zum Verlust jeglicher Freude. Manchmal hält diese Phase sehr lange an und es entwickelt sich eine Depression aus der Trauer.

5. Akzeptanz

Wenn einige Zeit vergeht und der Trauer der nötige Raum gegeben wird, kann sich die Aufmerksamkeit langsam wieder auf andere Dinge richten. Das wird nicht von heute auf morgen so sein, aber die meisten Trauernden erleben, dass sich eine Akzeptanz für den Verlust einstellt. Der Blick weitet sich und neue Pläne können ganz behutsam in Angriff genommen werden.

was es heißt, wenn die Trauer nicht enden mag

Es ist sehr schwer zu entscheiden, ob ein Trauerprozess „zu lange“ dauert oder „nicht normal“ ist. Denn es gibt keinen festgelegten Grenzwert, ab wann Trauer pathologisch, d.h. krankhaft, ist. Hinzu kommt, dass es in den derzeitigen Psychologiebüchern die Diagnose „Trauer oder Trauerstörung“ nicht gibt. Die Aufnahme dieser Diagnose wird aber diskutiert, denn mit ihr hätten Menschen, die ungewöhnlich lange oder stark unter einem Verlust leiden Zugang zu medizinischen und psychotherapeutischen Hilfsangeboten.

Chance oder Stigma?
Die Frage, ob es eine Art der Trauerbewältigung gibt, die eher einer Krankheit entspricht, ist von tiefgreifender Bedeutung. Der Vorteil einer solchen Diagnose wäre, dass Menschen, die darunter leiden, spezielle psychotherapeutische Hilfsangebote in Anspruch nehmen könnten, deren Kosten von den Krankenkassen übernommen werden. Der Nachteil ist, dass es zu einer Stigmatisierung von Trauernden kommen könnte, denen so das Recht auf ihre Trauer verwehrt wird bzw. deren Trauer als „krankhaft“ bezeichnet wird.

Trauer, die krank macht: Wann sollten sich Trauernde professionelle Hilfe suchen?

Es ist natürlich, dass Menschen unter einem Verlust leiden. Es ist auch natürlich, dass dieses Leid lange anhält. Wenn aber Gefühle wie ohnmächtiger Zorn oder extreme Verbitterung hinzukommen, dann kann professionelle Hilfe sinnvoll sein.

Das Gleiche gilt bei suizidalen Gedanken oder „Selbstaufgabe“, d.h. eine so starke Apathie, dass die hinterbliebene Person kaum noch zu Handlungen fähig ist. Treten solche Symptome auf, ist es möglich, dass die Trauer in eine Depression übergangen ist. Spätestens dann sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden, denn eine Depression kann sich verfestigen und die eigentliche Trauerbewältigung unmöglich machen. Für die Trauerbewältigung brauchen Menschen all ihre Ressourcen, die in einer Depression nur schwer aktiviert werden können.

Wichtig: Aber auch wenn das Leid und die Trauer nicht die genannten extremen Ausmaße annehmen, kann professionelle Trauerbegleitung durch Spezialisten sinnvoll sein. Den Schmerz einer neutralen Person zeigen, den Verlust im geschützten und privaten Raum zu reflektieren und so an Akzeptanz zu gewinnen kann eine sehr heilsame Erfahrung sein.

Was kann man tun im Umgang mit Trauer?

Als trauernde Person selbst:

  • Raum und Zeit für Trauer schaffen: Trauer ist ein natürlicher Prozess, der bei jedem anders abläuft. Gestatten Sie sich, zu trauern.
  • Gefühle ausdrücken, sei es im Gespräch, in Bildern, Gedichten, in Bewegungen…
  • Erinnerungsstücke, die für Sie selbst große Bedeutung haben, zusammensuchen und eine Kiste o.ä. mit Erinnerungen anlegen.
  • Dankbarkeit praktizieren: Sich an schöne Lebensabschnitte und Situationen mit der geliebten Person zurückerinnern.
  • Bewegung in der Natur ist beruhigend und tut gut.
  • Die eigenen Ressourcen stärken: Was hat Ihnen vor dem Verlust gutgetan? Wo liegen Ihre Stärken? Welche können Ihnen in dieser Situation helfen?
  • Sie dürfen in dieser Situation der Trauer Hilfe annehmen – egal ob von Freunden, Bekannten, Nachbarn, Kollegen oder Fachkräften.

Im Umgang mit trauernden Personen:

  • Den Verlust ansprechen, auch wenn Ihnen die Worte fehlen. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, ist meist besser, als gar nichts zu sagen.
  • Praktische Hilfe anbieten, z.B. bei der Organisation der Trauerfeier oder im Haushalt.
  • Da sein und Zeit anbieten, aber auch den Wunsch nach Rückzug akzeptieren.
  • Die Trauer als einen natürlichen Prozess ansehen und diese Akzeptanz auch äußern.
  • Wenn die Situation passt, nach schönen Erlebnissen mit der verstorbenen Person fragen und Erzählungen zuhören.
  • Auf Signale achten, ob sich der Zustand der trauernden Person verschlechtert und im Ernstfall professionellen Rat in Anspruch nehmen.

Besonders wenn Sie sich in Trauer befinden oder mit dem Thema Trauer konfrontiert sind, wünschen wir Ihnen an dieser Stelle einen Prozess der Trauer, in dem Sie – nach Ihrem persönlichen Rhythmus- Vergangenes mit Dankbarkeit betrachten und die Zukunft mit Zuversicht begrüßen können.

Quellenangaben

(1) Hucke, V. (2017). Mit Vielfalt und Fairness zum Erfolg. Springer Gabler, Wiesbaden.

(2) Kübler-Ross, E. (2009). Death: The Final Stage. Simon and Schuster

Kategorien: Depressionen

Verena Klein
Autor Verena Klein
"Die LIMES Schlosskliniken haben sich auf die Behandlung von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen spezialisiert. Mit Hilfe des Blogs möchten wir als Klinikgruppe die verschiedenen psychischen Erkrankungen näher beleuchten und verschiedene Therapien sowie aktuelle Themen vorstellen."

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