Gefühle anders ausdrücken: Kunsttherapie bei psychischen Erkrankungen

Komplexe Gefühle, schnell wechselnde Stimmungen, rasende Gedanken, Erinnerungen… In Phasen psychischer Krankheit oder Belastung spielt sich, in uns vieles ab. Die Sprache ist dann oft das Mittel der Wahl, um sich mitzuteilen und Erlebtes zu verarbeiten. Aber unsere Erfahrungen können unsere sprachliche Ausdrucksfähigkeit mitunter übersteigen. Uns fehlen buchstäblich die Worte. Die Kunsttherapie leitet zu kreativen Mitteln und Wegen an, sich auszudrücken und Gefühle und Gedanken nach außen zu tragen.

Die Kunst in uns

Seit Beginn an drückt sich die Menschheit durch künstlerisches Schaffen aus. Denken Sie an Höhlenmalereien, Verzierungen von Grabstätten und altertümliche Skulpturen. Der Mensch ist fähig, sein Inneres auf verschiedene Art und Weise auszudrücken. In der Kunst finden wir ein Ventil, um Energien, seien sie positiv oder negativ, aus uns herauszulassen. Die künstlerischen Darstellungsformen sind unbegrenzt. Hier ein paar Beispiele:

  • Malerei
  • Zeichnen
  • Basteln
  • Töpfern
  • Bildhauerei
  • Dichten
  • Schreiben
  • Schweißen
  • Collagen
  • Graffiti
  • Flechten
  • Schreinern
  • Nähen
  • Textildruck
  • Tanz
  • Theater

In uns allen liegt etwas Schöpferisches. Wir haben alle etwas mitzuteilen. So entsteht Kunst. Jeder Mensch verfügt dabei über eigene Vorlieben im Prozess der Gestaltung.

Kunst und Therapie

Befinden wir uns einer psychischen Krise, steht unsere Welt Kopf. Die innere Balance ist verloren gegangen und muss Schritt für Schritt wiedergefunden werden. Die Psychotherapie ist dabei ein wesentlicher Baustein. Doch nicht alles, was uns bewegt, findet dort den Raum, den es braucht. Daher hat sich die Kunsttherapie als ergänzende Therapieform in der ganzheitlichen Behandlung psychischer Krankheiten herausgebildet. Mit Hilfe dieser können sich Betroffene ausdrücken.

„Das Bild ist uns oft selbst voraus. Oft wissen wir beim Gestalten nicht bewusst, was alles passiert, jedoch weisen uns die Bilder den Weg, denn in ihnen steckt sowohl Problem und Lösung zugleich.“

A. Leubner, Kunsttherapeutin

Wenn es in uns selbst noch so chaotisch zugeht, wir uns in dunklen Zeiten befinden und rat- und orientierungslos sind, dann kann künstlerisches Schaffen für uns zu einem Wegweiser werden.

Wer bietet Kunsttherapie an?

Um Kunsttherapeut zu werden, muss entweder eine Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen werden. Neben ihren künstlerischen Kompetenzen sind Kunsttherapeuten auch in der Gesprächsführung ausgebildet und sind, je nach Arbeitsplatz, mit den Krankheitsbildern der Patienten vertraut. Sie sind z.B. in der Psychosomatik, in Psychiatrien, Kinderkliniken und Rehakliniken tätig. Außerdem sind Kunsttherapeuten auch im ambulanten Bereich tätig. Die Kunsttherapie findet in einem Kunstraum oder Atelier statt, in dem zahlreiche Materialien zur Verfügung stehen.

Für wen ist die Kunsttherapie geeignet?

Der Einsatz der Kunsttherapie ist vielfältig. So profitieren nicht nur psychisch erkrankte Menschen, sondern auch Patienten, die unter körperlichen Erkrankungen leiden von kunsttherapeutischen Angeboten. In vielen Rehakliniken wird Kunsttherapie angeboten, um mit Gefühlen und Gedanken, die bei einer Erkrankung auftreten, umzugehen. Grundsätzlich ist Kunsttherapie also erstmal für alle Störungsbilder geeignet. Oft wird die Kunsttherapie im Gruppensetting angeboten, um so gleichzeitig den Austausch zwischen Mitpatienten anzuregen.

Was passiert in einer Kunsttherapie?

Vor der ersten Therapiesitzung erfolgt in der Regel ein Vorgespräch. Im Gespräch lernen sich Therapeut und Patient kennen, der Therapeut erfährt erste Details zum Hintergrund der Erkrankung und es wird besprochen, was in der Kunsttherapie geschehen kann. Der Patient erfährt, welche Materialien ihm zu Verfügung stehen. Oft wird dann direkt gestartet, da der Kunsttherapeut dabei noch weitere diagnostische Informationen erheben kann. Das Wie und das Was im Handeln des Patienten kann oft sehr viel mehr Einblicke liefern, als nur die Worte. Dies passt zur ganzheitlichen Betrachtungsweise in der Kunsttherapie.

In den Sitzungen selbst kann der Patient dann im Gruppensetting beginnen, seine Ideen auszugestalten. Manchmal bringen die Patienten bereits Ideen mit, wenn nicht, besteht kein Anlass zur Sorge. Der Therapeut hat viel Erfahrung auf dem Gebiet und gibt Anregungen, Tipps oder sogar konkrete Aufgaben. Hier ein paar Ideen:

  • Die Biografie visualisieren
  • Wichtige Werte darstellen
  • Imaginationen
  • Fragen visualisieren: Wo komme ich her? Wo will ich hin? Was ist dazwischen?
  • Die Zwangsgedanken auf Papier bringen
  • Der Depression eine Farbe geben
  • Schreckensbildern Form und Gestalt verleihen
  • Das belastende Gefühl zeichnen

Zum Ende der Sitzung wird das Werk dann besprochen. Dies kann im Einzelgespräch oder Gruppengespräch geschehen. Falls der Patient es wünscht, können die Mitpatienten berichten, wie das Werk auf sie wirkt und was sie für Impulse verspüren. Auch der Kunsttherapeut gibt Anregungen und stellt tiefergehende Fragen. Wichtig ist, dass dabei nichts in das Bild hineingedeutet wird, sondern alle Beteiligten im Austausch mit dem Patienten nach der individuellen Bedeutung suchen.

Muss ich für eine Kunsttherapie besonders kreativ sein?

Die Antwort lautet ganz klar: Nein! Denn Kreativität ist keine Voraussetzung für das Schaffen an sich. Das Werk muss auch nicht objektiv „schön“ sein. Es muss nicht perfekt sein. Es darf einfach nur sein und für den Patienten sprechen. In der Kunsttherapie ist alles erlaubt. Es darf auch einfach nur Spaß machen und entspannen, mit Farben, Formen und Materialien zu experimentieren.

Die Kunsttherapie arbeitet auch viel mit Symbolik. Innere Bilder können so Form und Farbe erhalten und nach außen getragen werden. Das symbolische Handeln mit Farben, Formen und Materialien kann Anregungen für das tatsächliche Handeln geben.

Ziele der Kunsttherapie

Die Kunsttherapeutin A. Leubner betont in ihrer Arbeit, dass sie es den Patienten ermöglichen möchte, vom Denken ins Tun zu kommen. Bei psychischen Erkrankungen spielt sich der Hauptteil im Kopf ab. Man ist oft im endlosen Grübeln und negativen Gedanken gefangen. Ein Weg daraus ist es, ins kreative Schaffen überzugehen und sich davon leiten zu lassen. Intuitiv und neugierig können in der Kunsttherapie neue Türen geöffnet werden. Der Überblick zeigt noch einmal, welche Möglichkeiten die Kunsttherapie mit sich bringt.

  • Neue Ausdrucksmöglichkeiten
  • Reflexion und Selbsterkenntnis
  • Vom Denken ins Handeln kommen
  • Symbolisches Handeln
  • Entspannung und Spaß
  • Kommunikation (mit sich selbst, Mitpatienten und dem Therapeuten)
  • Erfahrungen sammeln
  • Wechsel der Blickrichtung

Kunsttherapie: Warum eigentlich nicht?

Manchmal sind wir skeptisch, wenn uns Kunst begegnet. Wir wissen nicht, was die Kunst uns sagen will. Und selbst künstlerisch tätig sein? Da reagieren wir oft mit Abwehr. „Das ist doch nichts für mich“ oder „Ich kann das nicht“. Ich möchte Sie dazu ermutigen, sich auf das Experiment Kunsttherapie einzulassen. Es einfach auszuprobieren. Schauen Sie, was dabei herauskommt. Fühlen Sie, was sich in Ihnen bewegt. Es kann so wohltuend und inspirierend sein, alte Wege zu verlassen und neue zu betreten.

Kategorien: Therapie

Verena Klein
Autor Verena Klein
"Die LIMES Schlosskliniken haben sich auf die Behandlung von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen spezialisiert. Mit Hilfe des Blogs möchten wir als Klinikgruppe die verschiedenen psychischen Erkrankungen näher beleuchten und verschiedene Therapien sowie aktuelle Themen vorstellen."

Diesen Beitrag teilen