Das Imposter-Syndrom: Wenn der Erfolg Zweifel weckt

Erfolg und Anerkennung sind Ziele, nach denen die meisten von uns streben. Doch bei einigen Menschen kann Erfolg zu einem Ambivalenzgefühl führen. Wenn das der Fall ist, handelt es sich um das sogenannte Impostor-Syndrom, auch bekannt als Hochstapler-Syndrom.

Ein Überblick über das psychologische Phänomen

Personen, die am Impostor-Syndrom leiden, haben das Gefühl, dass der eigene Erfolg nicht auf persönlichen Fähigkeiten beruht, sondern auf Glück, Zufall oder einem Missverständnis. Sie stellen trotz nachweisbarem Gelingen ihre eigene Kompetenz in Frage und haben die ständige Sorge, dass sie als „Betrüger“ entlarvt werden könnten.

Merkmale des Impostor-Syndroms:

  • Selbstzweifel
  • Angst vor Entlarvung
  • Zuweisung von Erfolg an äußere Faktoren
  • Perfektionismus
  • Unbewusste Selbstsabotage

Typische Gedanken oder Aussagen

Das Impostor-Syndrom manifestiert sich oft durch bestimmte Gedanken oder Aussagen:

„Ich habe diesen Erfolg nicht verdient.“

Betroffene zweifeln daran, ob ihnen Erfolg wirklich zusteht. Sie lehnen Lob ab und fühlen sich unwohl, wenn sie Anerkennung erhalten.

„Jeder könnte das, was ich tue.“

Die Fähigkeiten werden heruntergespielt und Betroffene sind überzeugt, dass andere die gleichen Aufgaben genauso gut oder sogar besser bewältigen könnten.

„Ich habe es nur so weit geschafft, weil ich hart gearbeitet habe, nicht weil ich klug bin.“

Eigene Intelligenz oder Fähigkeiten werden häufig abgestritten und der Fokus liegt auf harter Arbeit als einziger Erklärung für den Erfolg.

„Das war einfach Glück, das wird mir nicht noch einmal passieren.“

Da Erfolge auf günstige Umstände zurückgeführt werden erwarten Betroffene, dass zukünftiger Erfolg ausbleibt.

Woher kommt das Imposter Syndrom?

Das Impostor-Syndrom hat keine eindeutige Ursache und wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Es ist wichtig zu betonen, dass das Syndrom nicht auf einen Mangel an tatsächlichen Fähigkeiten oder Qualifikationen zurückzuführen ist. Stattdessen spielen psychologische, soziale und persönliche Faktoren eine Rolle:

Persönliche Merkmale: Menschen mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen sind möglicherweise anfälliger für das Impostor-Syndrom. Perfektionisten, die hohe Standards an sich selbst anlegen, können sich leichter in einem Zustand des Betrugs oder der Unzulänglichkeit sehen, wenn diese Standards nicht erfüllt werden.

Familiäre Einflüsse: Die Familiengeschichte und Erziehung können die Entwicklung des Impostor-Syndroms ebenfalls beeinflussen. Eine Umgebung, in der Erfolg stark belohnt wird, kann zu einem Druck führen immer erfolgreich zu sein.

Kulturelle Einflüsse: In Kulturen, in denen Erfolg stark betont wird, sind Menschen einem höheren Risiko ausgesetzt das Impostor-Syndrom zu entwickeln.

Frühere Erfahrungen: Negative Erfahrungen in der Vergangenheit, wie beispielsweise Rückschläge oder Misserfolge, können zudem einen Risikofaktor darstellen.

Herkunft aus unterrepräsentierten Gruppen: Menschen aus unterrepräsentierten Gruppen, sei es aufgrund von Geschlecht, Herkunft oder anderen Faktoren, können aufgrund von Stereotypen und Vorurteilen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung des Impostor-Syndroms haben.

Hochleistungsdruck: Personen in Berufen oder Umgebungen, die einen hohen Leistungsdruck haben, sind möglicherweise ebenfalls anfälliger betroffen zu sein.

Angst vor Ablehnung: Die Angst vor Ablehnung oder Kritik kann dazu führen, dass Menschen ihre eigenen Erfolge herunterspielen und an ihrer Kompetenz zweifeln.

Umgang mit dem Impostor-Syndrom

Der angemessene Umgang mit dem Imposter-Syndrom erfordert ein tieferes Verständnis der Ursachen sowie die Anwendung bewährter Strategien zur Selbstakzeptanz, um das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu stärken:

Selbstreflexion: Das Analysieren des eigenen Denkens, Fühlens und Handelns ist hilfreich, um destruktive Verhaltensmuster zu identifizieren.

Realistische Ziele setzen: Sich erreichbare Ziele zu setzen und kleine Erfolge anzuerkennen trägt dazu bei, das Selbstvertrauen zu stärken und den Fokus auf die eigenen Stärken zu lenken.

Fehler als Lernchance sehen: Anstatt Fehler als Bestätigung für die eigene Inkompetenz zu interpretieren, können sie besser als Teil des Lernprozesses betrachtet werden.

Unterstützung suchen: Das Teilen von Erfahrungen mit Freunden, Familie oder Kollegen kann unterstützend wirken. Oft stellt sich heraus, dass andere ähnliche Gefühle erlebt haben.

Professionelle Hilfe in Betracht ziehen: Wenn das Impostor-Syndrom das persönliche und berufliche Leben erheblich beeinträchtigt, sollte die Hilfe eines Psychotherapeuten in Betracht gezogen werden.

Was NICHT hilfreich ist

Das Überwinden des Impostor-Syndroms kann eine Herausforderung sein und es gibt bestimmte Denkmuster und Verhaltensweisen, die eher kontraproduktiv sind und nicht zur Bewältigung beitragen:

Selbstkritik und Selbstbestrafung: Sich selbst hart zu kritisieren und für vermeintliche Fehler zu bestrafen, verstärkt oft das Impostor-Syndrom.

Vergleiche mit anderen: Sich ständig mit anderen zu vergleichen und die eigenen Erfolge herunterzuspielen, weil andere vermeintlich „besser“ sind, verschlimmert ebenfalls das Gefühl ein Hochstapler zu sein.

Selbstisolation: Sich von anderen zurückzuziehen und den eigenen Erfolg geheim zu halten, um Entlarvung zu vermeiden, begünstigt auch das Impostor-Syndrom. Unterstützung und Rückmeldungen von anderen sind hilfreich, um die eigenen Fähigkeiten realistischer einzuschätzen.

Vermeiden von Herausforderungen: Sich vor neuen Herausforderungen zu drücken, um mögliche Fehler zu vermeiden, hält das Impostor-Syndrom aufrecht. Die Angst vor Misserfolg sollte nicht dazu führen Chancen und Wachstumsmöglichkeiten zu verpassen.

Es ist wichtig zu erkennen, dass das Impostor-Syndrom oft auf irrationalen Überzeugungen basiert. Das Entwickeln von gesunden Denkmustern, der Einsatz von Selbstmitgefühl und die Suche nach professioneller Unterstützung können dazu beitragen, diese negativen Gedanken zu überwinden. Es ist ein fortlaufender Prozess und es erfordert Zeit und Übung, um das Impostor-Syndrom zu bewältigen und ein realistischeres Selbstbild aufzubauen.

Quellenangaben
  • Hibberd, D. J. (2022). Dein Erfolg ist kein Zufall: Vom Gefühl, nie gut genug zu sein.  Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, München.
  • Rohrmann, S. (2018). Wenn große Leistungen zu großen Selbstzweifeln führen: Das Hochstapler–Selbstkonzept und seine Auswirkungen. Hogrefe AG, Bern.
Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Ärztlicher Direktor und Chefarzt Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether ist renommierter Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, bei dem stets der Mensch im Mittelpunkt steht: Dank seiner individuell abgestimmten, ganzheitlichen Behandlungspläne verbessert und personalisiert er die psychiatrische Versorgung kontinuierlich. Seine umfassende Expertise in der psychotherapeutischen und medikamentengestützten Behandlung erlangte er durch sein Studium der Humanmedizin an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, spezialisierte Weiterbildungen sowie seine langjährige Erfahrung in führenden Positionen. Seit 2019 ist Dr. med. Brolund-Spaether als Chefarzt und seit 2023 als Ärztlicher Direktor der LIMES Schlosskliniken AG tätig. 2024 trat er unserem Vorstand bei.

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