Healing Environment: Wo Architektur auf Gesundheit trifft

In der Hektik des modernen Lebens sehnen sich viele von uns nach einem Ort der Ruhe, der Regeneration und des inneren Friedens. Doch wie oft betrachten wir unsere Umgebung als aktiven Teil unseres Wohlbefindens und unserer Gesundheit? Genau hierfür gibt es ein faszinierendes Konzept, das nicht nur Architekten und Designer betrifft, sondern uns alle angeht: Healing Environment.

Was ist Healing Environment?

Healing Environment, zu Deutsch „Heilende Umgebung“, ist ein ganzheitlicher Ansatz, der darauf abzielt Räume bewusst so zu gestalten, dass sie das körperliche und mentale Wohlbefinden der Menschen positiv beeinflussen. Dieses Konzept geht weit über die rein ästhetische Gestaltung hinaus und zeichnet sich durch eine harmonische Atmosphäre aus, die Ruhe, Komfort und Sicherheit vermittelt. Ob in Krankenhäusern, Büros, Schulen oder sogar in unseren eigenen vier Wänden – die Prinzipien einer heilsamen Umgebung können überall angewendet werden.

Eine Kurzübersicht über die Entstehung

Auch wenn der Begriff Healing Environment relativ neu ist, liegt der Ursprung des Ansatzes schon einige Jahrzehnte zurück:

1950er-60er Jahre: Die Anfänge des Healing Environments liegen in den 1950er und 60er Jahren. Pioniere wie Dr. Albert Barnes betonten die Bedeutung von Kunst und Gestaltung in medizinischen Umgebungen.
1960er-70er Jahre: In den 1960er und 70er-Jahren wurde begonnen die Gestaltung von Krankenhäusern intensiver zu untersuchen. Auch Architekten und Designer erkannten, dass die Umgebung einen starken Einfluss auf den Heilungsprozess hat.
1980er-90er Jahre: In den 80er und 90er Jahren wuchs das Interesse an wissenschaftlicher Forschung zu den Auswirkungen der Umgebung auf die Gesundheit. Studien bestätigten den positiven Einfluss von gut gestalteten Räumen auf die Genesung von Patienten.
2000er Jahre bis heute: Ab den 2000er Jahren gewann das Konzept des Healing Environments weltweit an Bedeutung. Es wurde nicht nur im Gesundheitswesen, sondern auch in anderen Bereichen wie in der Bildung und Arbeitswelt angewendet.

Die fünf Elemente eines Healing Environments

Das Konzept integriert verschiedene Komponenten, die zusammenarbeiten, um eine heilende Atmosphäre zu schaffen. Es folgen die fünf wesentlichen Elemente eines Healing Environments:

Naturverbundenheit: Die Integration von Naturelementen ist ein zentrales Merkmal. Dies kann durch den Einsatz von Pflanzen, natürlichen Materialien wie Holz und Stein sowie Bilder oder Darstellungen der Natur erreicht werden. Die Verbindung zur Natur wirkt beruhigend und unterstützt die Regeneration.

Licht und Farben: Die richtige Beleuchtung und Farbwahl sind ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Natürliches Licht fördert das Wohlbefinden und die Produktivität. Warme Farbtöne wie Erdtöne oder sanfte Pastellfarben schaffen eine einladende und entspannende Atmosphäre. Zu starkes oder kaltes Licht hingegen kann als stressig empfunden werden.

Ergonomie und Komfort: Bequeme Möbel und eine sinnvolle Raumgestaltung sind essentiell. Ergonomische Gestaltungselemente unterstützen die körperliche Gesundheit und tragen dazu bei, dass sich Menschen in der Umgebung wohl und entspannt fühlen.

Akustik und Geräuschpegel: Eine ruhige Umgebung, frei von störenden Geräuschen, ermöglicht es uns, uns zu entspannen und zu konzentrieren. Dies kann durch die Verwendung von schallabsorbierenden Materialien, Teppichen oder Vorhängen erreicht werden.

Sicherheit: Ein Healing Environment sollte ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit vermitteln. Klare Wege, gut beleuchtete Bereiche und ergonomisch angeordnete Elemente tragen dazu bei Stress zu reduzieren und das allgemeine Wohlbefinden zu steigern.

Healing Environment in der Gesundheitsversorgung

Vielleicht sind Ihnen folgenden Aussagen bekannt: „In Krankenhäusern fühle ich mich unwohl!“ oder „In dieser tristen Pflegeeinrichtung möchte ich auf keinen Fall leben!“. Sehr verständlich, da viele solcher Häuser mit ihren kahlen Wänden und einfältigen Farbgestaltung nicht sehr einladend sind. Genau aus diesen Gründen wird zunehmend mehr Wert auf das Schaffen eines gesundheitsfördernden Umfeldes gelegt. Konkrete Maßnahmen zur Umsetzung sind folgende:

Natürliche Elemente und Grünanlagen: Integration von Pflanzen und Blumen in die Innenräume. Anlage von Innenhöfen oder Gärten, die von den Patienten genutzt werden können. Nutzung von Aussichtspunkten mit Blick auf Natur, wenn möglich.

Beruhigende Farbpaletten: Verwendung von sanften, naturnahen Farben wie Grüntönen oder Blau in der Gestaltung von Patienten- und Behandlungszimmern.

Natürliches Licht: Maximierung des Tageslichts durch große Fenster und lichtdurchlässige Materialien. Einsatz von dimmbaren Leuchten, um die Helligkeit auf die Bedürfnisse und Vorlieben der Patienten anzupassen.

Geringer Geräuschpegel: Verwendung von Teppichen oder Vorhängen, um eine ruhige Umgebung zu schaffen. Deutliche Trennung der Patientenzimmer von lauten Bereichen wie Eingängen oder Wartezimmern.

Komfortable Möbel: Bereitstellung von bequemen und körpergerechten Möbeln für Patienten und Angehörige.

Kunst und visuelle Elemente: Ausstellung von Kunstwerken, Fotografien oder anderen visuellen Elementen, die positive Emotionen auslösen.

Private Rückzugsorte: Schaffung von Bereichen, in denen Patienten sich aus ihren Mehrbettzimmern zurückziehen können um Ruhe zu finden oder sich zu entspannen.

Sicherheit und Zugänglichkeit: Gewährleistung einer barrierefreien Umgebung, die für alle Patienten zugänglich ist.

Technologie zur Unterstützung des Wohlbefindens: Einsatz von Technologie, um den Patienten Kontrolle über ihre Umgebung zu geben, wie z.B. die Anpassung von Licht oder Temperatur.

Gemeinschafts- und Informationsbereiche: Schaffung von Bereichen, in denen Patienten sich austauschen sowie Informationen erhalten können.

Vermutlich kommen Ihnen die genannten Maßnahmen in vielen Einrichtungen noch sehr weit entfernt von der Realität vor. Für all diese Neuerungen benötigt es eine passende Finanzierung sowie reichlich Veränderungsarbeit. Durch das immer bekannter werden und die gute Erforschung des Ansatzes des Healing Environments tut sich jedoch immer mehr – und auch Sie selbst können eine Menge als Patient oder Angehöriger tun. Manchmal sind es die kleinen Dinge, wie ein Strauß Blumen, ein Foto der Liebsten, oder das eigene Kopfkissen, die bereits zur Genesung beitragen können.

Quellenangaben
  • Bassler, M. (2011). Therapeutisches Milieu: Healing Environment in medizinischer Rehabilitation und stationärer Behandlung. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin.
  • Gassel, H. J. & Kersting, S. (2013). Patientenmanagement. In W. Schröder, C. Krones (Hrsg.), Survival-Guide Chirurgie. Springer, Berlin, Heidelberg.
  • Gola, M., Settimo, G. & Capolongo, S. (2020). Reaching Sustainability in Healthcare: Strategies for a Healthy Indoor Air Quality in Healing Environments. In C. Bevilacqua, F. Calabrò & L. Della Spina (Hrsg.), New Metropolitan Perspectives. Springer, Cham.
  • von Eiff, W., Dodt, C. & Brachmann, M. (2011). Management der Notaufnahme: Patientenorientierung und optimale Ressourcennutzung als strategischer Erfolgsfaktor. Kohlhammer:  Stuttgart.
Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Ärztlicher Direktor und Chefarzt Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether
Dr. med. Kjell R. Brolund-Spaether ist renommierter Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, bei dem stets der Mensch im Mittelpunkt steht: Dank seiner individuell abgestimmten, ganzheitlichen Behandlungspläne verbessert und personalisiert er die psychiatrische Versorgung kontinuierlich. Seine umfassende Expertise in der psychotherapeutischen und medikamentengestützten Behandlung erlangte er durch sein Studium der Humanmedizin an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, spezialisierte Weiterbildungen sowie seine langjährige Erfahrung in führenden Positionen. Seit 2019 ist Dr. med. Brolund-Spaether als Chefarzt und seit 2023 als Ärztlicher Direktor der LIMES Schlosskliniken AG tätig. 2024 trat er unserem Vorstand bei.

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