Psychotherapie per App?

Unser Leben ist begleitet von Apps: Für Einkaufslisten, soziale Kontakte, jegliche Notizen, unsere sportliche Aktivität oder sogar Finanzen. Alles wird digitaler und schneller verfügbar. In vielen Bereichen ist das eine Erleichterung, doch lässt sich das auch im Gesundheitsbereich umsetzen? Seit einigen Jahren gibt es sogenannte digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs), die unter anderem Wissen über verschiedene Krankheitsbilder vermitteln oder eine Art Symptomtagebuch für Betroffene sein können. Warum sollte dann nicht auch eine Psychotherapie per App möglich sein?

Digitale Gesundheitsanwendungen kurz erklärt

Unter den Begriff der digitalen Gesundheitsanwendungen fallen Apps, die dafür entwickelt wurden Krankheiten zu erkennen, zu behandeln und zu verbessern. Sie eigenen sich ebenfalls zur Überwachung des Krankheitszustandes und haben die Intention den Betroffenen ihren Alltag zu erleichtern. Ein Beispiel wäre eine Gesundheits-App für Menschen mit Depressionen, die die Medikamenteneinnahme organisiert und hilft die Symptome zu erfassen. Auch können sie Audios oder Videos für Übungen bei Kopfschmerzen oder Hilfen zum Umgang mit dem Alkoholkonsum zur Verfügung stellen. DiGAs eignen sich ebenfalls bei:

  • Schlafstörungen
  • Migräne
  • Angststörungen
  • Übergewicht
  • Multipler Sklerose
    und vielem mehr…

Nutzbar sind die verschiedenen Anwendungen auf dem Smartphone, dem Tablet oder am Computer. Ziel ist es auch mit den Anwendungen eine gemeinsame Schnittstelle zwischen Patienten, Psychotherapeuten und Ärzten zu schaffen. Seit 2020 besteht sogar die Option DiGAs im Rahmen einer psychotherapeutischen oder ärztlichen Behandlung über die Krankenkassen abzurechnen.

Wie können sie genutzt werden?

Inzwischen sind sehr viele unterschiedliche Apps zum Thema Gesundheit auf dem Markt und für die Nutzer ist es nicht leicht zu erkennen, ob sie nützlich sind und vertraulich mit privaten Daten umgehen. Aus diesem Grund werden digitale Gesundheitsanwendungen vom Staat geprüft und beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in einem Verzeichnis aufgelistet. Die Kategorie „Psyche“ umfasst dort inzwischen rund zehn Anwendungen, wobei fortwährend neue hinzugefügt werden. Gemeinsam mit einem Psychotherapeuten oder Arzt kann sich folgend für eine DiGA entschieden werden und ein Rezept für diese bei der Krankenkasse eingereicht werden. Sobald die Krankenkasse und der Hersteller der App einen anonymen Datenabgleich vorgenommen haben, erhalten die Patienten einen Freischaltcode und können die App kostenlos nutzen.

Unterstützung durch DiGAs

Digitale Gesundheitsanwendungen sind nicht nur werbefrei, sie bieten auch folgende weitere Vorteile:

Überbrückung von Wartezeiten: Aktuell gestalten sich die Suche und Wartezeit auf einen Therapieplatz sehr langwierig. Bei DiGAs erhalten Betroffene sofort Hilfe. Ebenfalls liegen zwischen zwei Terminen bei Therapeuten und Ärzten oft größere Zeitabstände, die so überbrückt werden können.

Zeitersparnis und Flexibilität: Für jegliche Termine fallen Wartezeiten im Wartezimmer sowie die Anfahrt weg. Im Rahmen einer Psychotherapie können beispielsweise Fragebögen zur Diagnostik einfach von Zuhause aus jederzeit ausgefüllt werden.

Sicherheit: Im Gegensatz zu einem persönlichen Kontakt mit anderen Patienten im Wartezimmer oder den Ärzten und Psychotherapeuten selber, besteht bei der Nutzung der Apps, gerade für Risikopatienten, keine Ansteckungsgefahr.

Geringe Hemmschwelle: Bei manchen psychischen Krankheiten, wie Angststörungen, ist es oft schwer das Haus zu verlassen und überhaupt Behandlungsangebote wahrzunehmen. Die Nutzung einer DiGA kann bei Betroffenen der erste Schritt sein, den Weg in eine therapeutische Behandlung zu finden und die Selbstwirksamkeit zu steigern.

Für wen sind sie geeignet?

Ganz pauschal lässt sich nicht sagen, dass eine DiGA für ein spezielles Krankheitsbild besonders geeignet ist – es ist sehr individuell und von den behandelnden Psychotherapeuten und Ärzten zu entscheiden. Eine Nutzung muss auch zum Therapieablauf und den Inhalten passen und für jeden Patienten auf mögliche Nebenwirkungen geprüft werden. Bei einem sehr impulsiven Patienten könnte als Beispiel eine vorzeitige Beendigung des Programms oder ein Misserfolg einen kompletten Therapieabbruch bedeuten. Demnach ist es in jedem Fall von Bedeutung Kosten und Nutzen für den einzelnen Patienten abzuwägen.

Kriterien für die Zulassung von Gesundheits-Apps

Damit eine DiGA offiziell zugelassen werden kann, muss der Hersteller einen Antrag auf Zulassung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte stellen. Das Institut stellt dabei hohe Anforderungen bezüglich Datenschutz, Nutzerfreundlichkeit, Qualität der medizinischen Inhalte und Patientensicherheit. Darüber hinaus muss der Nutzen eventuelle Risiken der Anwendung überwiegen und die Wirksamkeit durch den positiven Versorgungseffekt ausreichend belegt sein. Dieser Effekt besteht, wenn die DiGA einem Großteil der Patienten empirisch belegt bei einer Verbesserung der Gesundheit hilft. Das kann sowohl eine Symptomlinderung, als auch einen Wissenserwerb oder besseren Umgang mit Symptomen beinhalten. Auch ist es möglich, dass Hersteller mit einem Fast-Track-Verfahren eine vorläufige Zulassung erlangt und im Laufe des ersten Jahres weitere wissenschaftliche Nachweise für die positiven Effekte erbringt.

Wie groß ist nun schlussendlich der Nutzen?!

Zu guter Letzt ist nochmal wichtig zu erwähnen, dass Apps für die Gesundheit eine psychotherapeutische Behandlung sehr gut ergänzen, jedoch nicht ersetzen können. Gerade im Rahmen der Gesprächstherapie ist die nonverbale Kommunikation durch Mimik, Gestik und Körpersprache eine wichtige Informationsquelle für beispielsweise die Diagnostik und Indikationsstellung. Der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung ist ebenfalls entscheidend für den Behandlungserfolg. Es muss zudem sehr sorgfältig darauf geachtet werden, dass die Nutzung dieser Apps nicht kontraindiziert ist. So dürfen bei einer akuten Psychose beispielsweise unter keinen Umständen Apps mit Übungen zur Exposition eingesetzt werden. Auch die Aufklärung vor einer Behandlung bedarf eines unmittelbaren Kontakts, um sich ausreichend rückversichern zu können, dass der Patient verstanden hat, in welche Behandlung er einwilligt. Somit ist es nicht möglich eine Psychotherapie mit einer App zu ersetzten. Die digitale Welt bietet jedoch neue innovative Möglichkeiten für schnellere und nachhaltigere Therapieeffekte und sollte sowohl von Patienten als auch Behandlern auf jeden Fall in Betracht gezogen werden.

Quellenangaben
  • Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK): https://www.bptk.de/wp-content/uploads/2020/10/bptk_praxisinfo_Digitale-Gesundheitsanwendungen.pdf, Abruf am 07.08.2022.
  • Hemkens, Lars G.: Nutzenbewertung digitaler Gesundheitsanwendungen – Herausforderungen und Möglichkeiten. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz (2021), Band 64.
  • Weitzel, Elena Caroline et al.: E-Mental-Health und digitale Gesundheitsanwendungen in Deutschland. Der Nervenarzt (2021), Band 92.

Kategorien: Therapie

Verena Klein
Autor Verena Klein
"Die LIMES Schlosskliniken haben sich auf die Behandlung von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen spezialisiert. Mit Hilfe des Blogs möchten wir als Klinikgruppe die verschiedenen psychischen Erkrankungen näher beleuchten und verschiedene Therapien sowie aktuelle Themen vorstellen."

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