Yoga bringt erwiesenermaßen Vorteile für den Körper und den Geist. Unter anderem steigert es die Beweglichkeit, stärkt die Haltung und sorgt für Entspannung. Neben den allgemeinen Vorteilen kann Yoga aber auch gezielt als Therapiemaßnahme angewendet werden. Hierzu werden die Yoga-Übungen individuell an das vorliegende Beschwerdebild angepasst. Dies ist nicht nur bei körperlichen Beschwerden wie Gelenk- oder Rückenschmerzen möglich, sondern auch bei psychischen Erkrankungen (Butterfield et al., 2017; Wieland et al., 2017).
Klassisches Yoga findet meistens in der Gruppe statt. Es wird gemeinsam ausgeführt, ohne dass auf die einzelnen Beschwerden der Teilnehmenden direkt eingegangen wird. Bei einer Yoga-Therapie erfolgen die Einheiten zunächst im Einzelkontakt. In einem ausführlichen Vorgespräch wird die Krankheitsgeschichte besprochen. Dann werden einzelne Bestandteile des Yogas ausgewählt, und auf die Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten.
Die Yoga-Therapie und das klassische Yoga setzen sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen. In der westlichen Welt kennt man vor allem die sogenannten Asanas, das heißt die einzelnen Körperstellungen und -übungen des Yogas. Aber Yoga und Yoga-Therapie bieten noch mehr. Neben den Asanas sind Atemübungen, Meditationen und die Yoga-Philosophie für die ganzheitliche Wirkung des Yogas von Bedeutung.
Pranayama: Beim Pranayama handelt es sich um spezielle Atemübungen. Der Atem wird gespürt, vertieft und in verschiedene Rhythmen unterteilt. Das Ziel ist es, Körper und Geist durch den Atem zu verbinden.
Meditation: Meditation bedeutet, bei sich selbst zu sein und über einen gewissen Zeitraum bewusst bei sich selbst zu bleiben. Oft werden Pranayama und Meditation miteinander kombiniert.
Asanas: Zu den Asanas zählen die unterschiedlichen Yoga-Posen. Der herabschauende Hund, die Kuh, der Krieger oder das Kamel sind nur einige Beispiele. Yoga-Lehrer oder Yoga-Therapeuten nutzen häufig die Sanskrit-Namen der Asanas, also Adho Mukha Svanasana (herabschauender Hund) oder Virabhadrasana (Krieger). Die Übungen werden achtsam ausgeführt und mit dem Atemrhythmus verbunden. Dadurch gehen die Yoga-Übungen über reine Fitness-Übungen weit hinaus. Das Ziel ist nicht die körperliche Kräftigung, sondern ein bewusstes Bewegen und Spüren des Körpers, des Atems und des Geists.
Yoga-Philosophie: Die Yoga-Philosophie setzt sich aus verschiedenen Stufen zusammen, die eine Art Verhaltenskodex bilden. An dieser Stelle soll nur ein Beispiel genannt werden, und zwar der Umgang mit leidvollen Erfahrungen im Leben (im Sanskrit: Dukha). Im Yoga wird davon ausgegangen, dass Leid zum Leben unweigerlich dazu gehört. Jeder Mensch kann sich jedoch entscheiden, sich im Leiden zu verlieren und so das Leid zu vergrößern, oder aber das Leiden zu akzeptieren, es loszulassen und so wieder Handlungsfreiheit zu gewinnen.
Da eine Yoga-Therapie grundsätzlich ganzheitlich ausgerichtet ist, also Körper und Psyche gleichermaßen anspricht, beinhaltet sie immer alle Bestandteile des Yogas.
Der Ur-Vater des Yogas, Patanjali, beschreibt in seinen jahrtausendalten Schriften Ängste und depressive Verstimmungen als Resultat eines „zerstreuten Geistes“. Der Geist hat sich verselbstständig, sich vom Körper abgekoppelt und entwirft pausenlos neue Grübeleien oder Angstszenarien. Der Schlüssel zur Linderung psychischer Erkrankungen besteht aus der Perspektive des Yogas darin, Körper und Geist wieder miteinander zu verbinden und den Geist zur Ruhe kommen zu lassen. Doch wie funktioniert das?
Wirkmechanismen der Yoga-Therapie
Auch wenn es das Ganze vereinfachen würde, den einen Wirkmechanismus gibt es in der Yoga-Therapie bei psychischen Erkrankungen nicht. Es handelt sich vielmehr um eine ganzheitliche Veränderung des Lebensstils und der Denkweise. Folgende Aspekte sollen als Beispiel dienen:
Die Kombination aus Atemtechniken, Meditation und Körperübungen soll aus Sicht des Yogas die körpereigenen Selbstheilungskräfte reaktivieren, innere Blockaden lösen und den Energiefluss im Körper normalisieren. Ein weiterer Aspekt ist, dass die festgelegte Abfolge der Übungen Routine und Sicherheit vermitteln. Zudem sind viele Yoga-Therapeuten in therapeutischer Gesprächsführung ausgebildet, sodass persönliche Anliegen im direkten Gespräch bearbeitet werden können.
Exkurs: Einen Teil der Wirkung von Yoga und Yoga-Therapie lässt sich vermutlich auf den Vagus-Nerv in unserem Körper zurückführen (Streeter et al., 2012). Dieser Nerv verläuft weit verzweigt durch unseren Körper und ist Teil des sogenannten Parasympathikus. Der Parasympathikus ist ein Nervengeflecht, welches für Ruhe und Entspannung sorgt. Sein Gegenspieler ist der Sympathikus, der bei Stress und Anspannung aktiviert wird. Den Vagus-Nerv können wir zwar nicht bewusst beeinflussen, es konnte aber gezeigt werden, dass er indirekt durch Entspannungs- und Atemübungen aktiviert werden kann und so seine entspannende Wirkung entfaltet.
Die Yoga-Therapie bei psychischen Erkrankungen ist sehr gut mit den klassischen Behandlungsverfahren der Psychotherapie und Medizin kombinierbar. Ein großer Vorteil liegt darin, dass die Behandlung nebenwirkungsfrei ist und somit keinen Schaden anrichten kann. Selbstverständlich kann auch klassisches Yoga in der Gruppe praktiziert werden, um psychische Beschwerden zu lindern! Wenn es aber etwas „mehr“ sein darf und die Yoga-Praxis speziell auf die eigene psychische Verfassung angepasst werden soll, dann kann ein speziell zertifizierter Yoga-Therapeut dazu einen wunderbaren Beitrag leisten.
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