Hypnotherapie – Die Kraft der Trance

Hypnose als Therapieform – ist das nicht eine Glaubensfrage? Oder gar Manipulation? Funktioniert das bei jedem? Und kann es nicht auch Schaden anrichten? Wir alle kennen Bilder aus dem Fernsehen wie ein Magier den unwissenden Zuschauer in spektakulärer Weise hypnotisiert und dieser die kommenden Minuten ausgeliefert unter seiner Macht steht, bis er endlich erlöst wird. Faszinierend – doch zugleich für viele Menschen sicherlich eher beängstigend.

Wenn nun der Begriff Hypnotherapie aufkommt, denken die Meisten auch erstmal eher an Patienten, die die Kontrolle verlieren, peinliche ungewollte Dinge tun und sich danach nicht mehr daran erinnern können. Doch faszinierenderweise geschieht genau das Gegenteil: Die Patienten gewinnen an Kontrolle, werden kreativer, finden neue Lösungswege und haben während der gesamten Zeit die volle Macht über ihr Handeln. Hypnotherapie hat folglich nichts mit einer Bühnenshow zu tun, sondern ist eine wissenschaftlich fundierte Form der Psychotherapie.

Wichtig: 2006 wurde die Hypnotherapie offiziell vom wissenschaftlichen Beirat der Psychotherapie als Methode anerkannt, zunächst primär als Therapiemethode für psychosomatische Störungen und Abhängigkeitserkrankungen.

Wie funktioniert Hypnose?

Weltweit genießt das Verfahren der Hypnose inzwischen ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Forschung. Mit der Kernspinresonanztomographie (MRT) und der Elektroenzephalographie (EEG) konnte nachgewiesen werden, dass der Zustand der Trance die Hirnaktivität tatsächlich verändert und weder mit einem Wachzustand, noch mit dem Zustand des Schlafens zu vergleichen ist. Hypnose hat die Funktion, die Aufmerksamkeit auf eine konkrete Vorstellung oder einen Gedanken zu lenken und gleichzeitig andere innere (z.B. Schmerzen) sowie äußere Wahrnehmungen (z.B. störende Umweltfaktoren) auszublenden, ähnlich wie bei der Meditation, beim Beten oder auch bei Tagträumen.

Hiermit ist es möglich, den Blutdruck sowie die Pulsfrequenz zu senken und damit das Immunsystem zu stimulieren sowie Hirnströme zu beeinflussen. So sind in der Trance beispielsweise Areale, die für die Wahrnehmung verantwortlich sind ausgeschaltet, während gleichzeitig die für Phantasie und Gefühle zuständigen Regionen sehr aktiv sind. Das Erleben gleicht dem, als würde tatsächlich gerade etwas gefühlt, gesehen oder erlebt werden. Bereiche, die Angst und Schmerz verarbeiten sind hingegen in der Trance nicht aktiv.

Messungen der Gehirnströme haben gezeigt, dass Schmerzempfindungen unter Hypnose zwar ins Gehirn geleitet werden, jedoch der Reiz anders verarbeitet und nicht bewusst wahrgenommen wird. Wissenschaftler vermuten hier, dass Bereiche im Gehirn in Trace nicht nur verschieden aktiv, sondern auch anders verbunden sind. So besteht die Möglichkeit erlernte Empfindungen oder Gedanken zu verändern oder sogar zu löschen.

Dialog mit dem Unbewussten – Klassische Hypnose und Hypnotherapie

Klassische Hypnose

Die klassische Hypnose war bis in die 1980er Jahre die gebräuchlichste und einzig bekannte Technik der Hypnose. Sie arbeitet mit einheitlichen Verfahren, mit denen jede Person auf dieselbe Weise in die Trance geführt wird, wobei die Hypnotisierbarkeit als invariantes Persönlichkeitsmerkmal gilt. Im Zustand der Trance werden Standardsuggestionen, wie „Sie werden nie wieder Alkohol trinken“, genannt. Diese werden wahlweise als Behauptung „Sie sind sehr ruhig“ oder als Befehl „Werden Sie jetzt ruhig!“ gegeben. Die klassische Hypnose bietet den Vorteil, dass sie leicht erlernbar ist und keine spezielle Vorbereitung auf den individuellen Patienten benötigt. Allerdings ergibt sich hieraus auch der Nachteil, dass Sie nur bei einem kleinen Anteil der Patienten langfristige Wirkung zeigt und aus diesem Grund heutzutage kaum noch Einsatz findet.

Hypnotherapie

Ende des 20. Jahrhunderts wurden die Techniken des amerikanischen Hypnotherapeuten Milton Erickson in Europa bekannt. Er verfolgte den kooperativen Ansatz mit den individuellen Bedürfnissen und Neigungen der Patienten zu arbeiten und ging darauf mit indirekten Suggestionen, bewusster Verwirrung und hypnotischen Metaphern und Erzählungen ein. Durch sein neues Verfahren ist inzwischen nahezu jeder gewillte Patient in Trance zu bringen.

Erickson verstand sein Verfahren als eine spezielle Kommunikationsform, was die bewussten und unbewussten Anteile des Patienten anspricht, um alle verfügbaren Ressourcen für die Problemlösung zu nutzen. Folglich ist eine Person bei der Hypnotherapie vollständig versunken in innere Imaginationen, wie Vorstellungen von körperlichen Heilungsprozessen, Erinnerungen oder neuen Verhaltensweisen. Durch den veränderten Bewusstseinszustand treten die Wahrnehmung der eigenen Person und das Alltagsdenken vollständig in den Hintergrund.

Wertende Gedanken wie „Was denken die Anderen über mich? Schaffe ich das?“ können nicht auftreten und Inhalte können anders bewertet und neu verknüpft werden. Der Vorteil der Hypnose ist, dass weit entfernte und nicht präsente Erinnerungen (z.B. aus der frühen Kindheit) in das aktuelle Denken einbezogen werden und neue Sicht auf die Dinge verschaffen können.

Besonders bedeutsam ist ebenfalls, dass die Vorstellungen in diesem Zustand physiologische Reaktionen bedingen können und eine besondere Offenheit für die Worte des Hypnotherapeuten besteht. Dennoch wird in der modernen Hypnotherapie die Eigenmotivation des Patienten strikt respektiert, er wird niemals in eine Richtung gedrängt, die ihm widerstrebt und kann die Sitzung jederzeit unterbrechen. Der Therapeut leitet und der Patient entscheidet wohin der Weg in der Trance geht. Durch den Zustand der Trance können folglich Verhaltensmuster verändert werden (z.B. Alkohol trinken), emotionale Blockaden gelöst werden (z.B. Ängste) und die Besserung somatischer Beschwerden angestoßen werden (z.B. chronische Schmerzen).

Techniken der modernen Hypnotherapie

Die Hypnotherapie basiert auf dem Prinzip, dass ein unvollständiger Sprachstil bei dem Patienten Suchprozesse auslöst und die Handlung anregt eigene Inhalte zu ergänzen. Folgende Hilfsmittel kommen hierbei zum Einsatz:

  • Wahlfreiheit: „Sie können in die Trance einsteigen wann immer Sie möchten.“
  • Nominalisierungen: Ohne, dass der Patient sich angesprochen fühlt wird ein Thema eingebracht – „Sich zu entspannen kann wohltuend sein.“
  • Analoges Markieren: Aufforderungen an den Patienten werden über eine veränderte Lautstärke oder Stimmlage vermittelt
  • Generalisierungen: „Jeder weiß, was dem eigenen Körper gut tut.“
  • Pseudokausalität: Eine reale Situation wird mit Suggestionen verknüpft
  • Mehrdeutigkeit: Verwendete Wörter lassen Interpretationsspielraum für den Patienten
  • Stellvertretertechnik: Das Problem des Patienten oder die Lösung dafür werden beispielsweise durch eine Metapher beschrieben, um Ängste zu vermeiden und die Bearbeitung zu erleichtern
  • Dissoziative Prozesse: Schaffen von innerer Distanz zu beispielsweise traumatischen Erlebnissen oder Schmerzbehandlungen

Gestaltung einer Hypnotherapiesitzung

Wie in jeder psychotherapeutischen Behandlung sind der Aufbau der Sitzung und die Patient-Therapeutenbeziehung enorm von Bedeutung. Bei der Hypnotherapie liegt der Fokus auf den hypnosespezifischen Fragestellungen und Ängsten. Während einer Sitzung kann der Patient frei wählen, ob er sitzen oder liegen möchte sowie ob er die Augen offen oder geschlossen halten möchte. Eine Hypnose startet immer mit der Fokussierung der Aufmerksamkeit, zum Beispiel durch das Lenken des Blickes auf einen Fixpunkt im Raum.

Nachfolgend wird die Trance vertieft. Hierbei kann der Patient von eins bis zehn zählen, sich vorstellen eine Treppe hinabzusteigen oder sich auf die Atmung fokussieren. Der Schwerpunkt liegt auf Ruhe und Entspannung. Im folgenden Hauptteil der Trance werden die bereits genannten Techniken eingesetzt um die problematischen Themen zu bearbeiten. Nach einer kurzen Reorientierung folgt meist eine abschließende Nachbesprechung. Der Patient hat die Möglichkeit neue Erkenntnisse zu reflektieren. Hier wird deutlich, dass die eigentliche Arbeit mit der Trance nur einen Part in der Therapiesitzung einnimmt.

Anwendungsfelder

Die Hypnotherapie besitzt ein sehr breites Feld an Anwendungsgebieten:

Besonders die psychosomatischen Störungen gelten als sehr gut behandelbar mit der Hypnotherapie. Darüber hinaus gibt es noch weitere Einsatzmöglichkeiten wie bei Notfallsituationen (z.B. Verbrennungen, chirurgische Eingriffe) sowie bei komplizierten diagnostischen Untersuchungen oder Eingriffen (z.B. zahnärztlichen Untersuchungen, Magen-Darm-Spiegelungen).

Eine Hypnotherapie lässt sich sehr gut mit anderen Psychotherapieverfahren wie der systemischen Therapie oder der Verhaltenstherapie kombinieren, da sie einen neuen Zugang zum Patienten darstellt und den Interventionsbereich erweitert. Eine Kombination zeigt sich nochmal wirksamer. Oft wird die Hypnotherapie auch als Anleitung zur Selbsthypnose durchgeführt, damit die Patienten auch außerhalb des Therapierahmens die Chance haben sich langfristig selber weiterzuhelfen.

Quellenangaben
  • Burkhard, Peter; Dirk, Revenstorf: Hypnotherapie. Stuttgart, 2018.
  • Deutscher Ärzteverlag GmbH: https://www.aerzteblatt.de/archiv/145099/Moderne-Hypnotherapie-Im-Dialog-mit-dem-Unbewussten, Abruf am 13.05.2022.
  • Deutsche Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie e.V.: https://dgh-hypnose.de/zur-behandlung-mit-hypnose, Abruf am 13.05.2022.
  • Milton Erickson Institut Köln e.V.: https://www.meik.de/hypnotherapie/, Abruf am 12.05.2022.
  • Schlarb, Angelika A.; Schweizer, Cornelie C.; Junker, Stefan: Hypnotherapie – Schritt für Schritt. Georg Thieme Verlag KG Stuttgart (2018), Heft 4.
  • Signer-Fischer, Susy: Hypnotherapie – effizient und kreativ: Bewährte Rezepte für die tägliche Praxis. Heiligkreuzsteinach, 2019.

Kategorien: Therapie

Verena Klein
Autor:in Verena Klein
"Die LIMES Schlosskliniken haben sich auf die Behandlung von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen spezialisiert. Mit Hilfe des Blogs möchten wir als Klinikgruppe die verschiedenen psychischen Erkrankungen näher beleuchten und verschiedene Therapien sowie aktuelle Themen vorstellen."

Diesen Beitrag teilen