Beiträge zur Philosophie der psychischen Gesundheit 9/13

Die Bedeutung unserer Gefühle für ein erfülltes Leben

von Dr. Gerhard Hofweber

Die Beiträge zur Philosophie der psychischen Gesundheit reflektieren unser Gefühlsleben, seine Störungen und seine Ordnung aus einer philosophischen Perspektive heraus. Die philosophische Betrachtung eröffnet neue Blickwinkel, lädt uns ein, bekannte Dinge neu zu betrachten und somit uns und die Welt neu kennen zu lernen.
Sie kann einen therapeutischen Prozess nicht ersetzen, aber sehr wohl unterstützen und damit sehr hilfreich für Ihren individuellen Erkenntnis- und Genesungsprozess sein.

Die verschiedenen Formen der Versöhnung mit der Vergangenheit

Die philosophische Betrachtung unseres Seelen- und Gefühlslebens unterscheidet sich von der psychologischen Betrachtung insbesondere darin, dass sie nicht die psychische Gesundheit oder Krankheit in den Mittelpunkt stellt, sondern das erfüllte Leben. Denn die psychische Gesundheit ist zwar eine Voraussetzung dafür, damit das Leben erfüllt sein kann, aber sie ist nicht mit diesem gleichzusetzen. Die psychiatrische und psychotherapeutische Indikation unterstützt uns dabei, als Erkrankter wieder seelisch gesund zu werden. Der philosophische Impact besteht darin, vom gesunden zum erfüllten Leben zu finden.

Für den Genesungsprozess eines beispielsweise an Depression erkrankten Menschen ist eine professionelle psychiatrische und psychotherapeutische Begleitung und ein healing environment äußerst wichtig und hilfreich. Dies sind die Bedingungen, welche den Heilungspozess sehr stark unterstützen und welche auch notwendig sind.

Die philosophische Betrachtung oder Begleitung kann dies nicht leisten. Sie kann den therapeutischen Prozess nicht ersetzen. Was sie aber zu leisten vermag, ist eine grundsätzliche Aufklärung über die Struktur unseres Seelen- und Gefühlslebens. Eben weil sie von einem prinzipielleren Ausgangspunkt ausgeht, kann es ihr gelingen, Perspektiven und Schlaglichter auf verborgene geordnete Systeme zu werfen. Unser Gefühlsleben ist ein solches geordnetes System und die Versöhnung mit der Vergangenheit ist in diesem ein wichtiger Teil. Denn jeder Mensch, der sich seinen Themen stellt und sie in Ordnung bringen möchte, hat bereits eine Vergangenheit hinter sich und die Ursachen seiner Probleme liegen oftmals in ihr verborgen.

Entscheidend ist es aber auch, nicht nur um die Ursachen meiner Probleme zu wissen und das Krankheitsbild zu verstehen, sondern die innere geistige Haltung, wie ich mich denkend und fühlend auf sie beziehe und wie ich mich selbst innerhalb dieses Prozesses begreife. Dabei kann die philosophische Betrachtung von großer Hilfe sein.

Dieser Gedanke hat bereits in der Antike eine große Rolle gespielt. Epiket drückt ihn so aus:

Nicht die Dinge selbst beunruhigen die Menschen, sondern die Meinungen und Urteile über die Dinge.

Dementsprechend war es für alle antiken Philosophen maßgebend, eine innere Haltung zu entwickeln, welche uns gegen äußeres Leid relativ unempfindlich und handlungsfähig bleiben lässt. Diesen Punkt möchte ich jedoch in einem anderen Beitrag ausführen.

Hier geht es um die Struktur unseres Gefühlslebens in Bezug auf die Versöhnung mit der Vergangenheit. In den früheren Beiträgen zur Philosophie der psychischen Gesundheit habe ich bereits ausgeführt, dass es nicht leicht ist, sich mit der Vergangenheit zu versöhnen, weil es in uns gewisse Widerstände und Hemmungen gibt, welche nur allzu verständlich sind: die Konfrontation mit dem Schmerz; der Zirkel in unserem Bewusstsein; die Notwendigkeit mir professionelle Hilfe zu holen; das Wegfallen der Glaubenssätze und einiges mehr.

Die verschiedenen Formen der Versöhnung mit der Vergangenheit

Den möglicherweise wichtigsten Punkt haben wir aber noch nicht besprochen. Wer sich mit der Vergangenheit versöhnen möchte, muss sich darüber bewusst sein, dass es verschiedene Formen der Versöhnung mit der Vergangenheit gibt. Genau diese Formen wollen wir in diesem Beitrag betrachten.

Es gibt genau drei Formen der Versöhnung mit der Vergangenheit. Nicht mehr und nicht weniger. Diese drei Formen werden dadurch gebildet, ob ich zum Zeitpunkt meiner Verletzung Opfer, Täter oder Partner war.

Diese Unterscheidung ist ein Punkt, welcher leider oftmals nicht angemessen berücksichtigt wird. Aber er ist ganz entscheidend dafür, dass die Versöhnung gelingen kann. Denn viele Menschen versuchen sich nach Kräften mit dem Schmerz aus ihrer Vergangenheit zu versöhnen, aber es will ihnen trotz aller Anstrengung einfach nicht gelingen. Dies liegt aber nicht daran, dass sie sich nicht bemühen und es ernsthaft versuchen, sondern daran, dass sie sich über die Herkunft ihres Schmerzes und dem in dieser enthaltenen Systematik nicht bewusst sind. Die unterschiedlichen Formen der Versöhnung werden nicht unterschieden, aber genau dies ist entscheidend.

Wodurch werden die verschiedenen Form der Versöhnung mit der Vergangenheit bestimmt?

Die unterschiedlichen Arten der Verletzung werden aus dem Verhältnis der handelnden Personen zueinander definiert. Es gibt drei Arten: Ich stehe unter der anderen Person; Ich stehe über der anderen Person; Ich stehe auf der selben Ebene wie die andere Person. Je nachdem aus welchem Verhältnis heraus die Verletzung geschehen ist, muss sie auf ihre eigene Weise aufgelöst werden. Eine allgemeine Versöhnung ist nicht möglich, weil es keine allgemeine Form der Versöhnung, sondern drei verschiedene Ebenen derselben gibt. Das Verwechseln der verschiedenen Ebenen ist dagegen für die Versöhnung kontraproduktiv, auch dann, wenn die Intention echt und ehrlich ist.

Die Verhältnisse zu den anderen Personen sind also hierarchisch gegliedert: Über mir, unter mir, neben mir. Daraus ergeben sich drei Formen von Verletzungen: Ich wurde verletzt durch eine Person die hierarchisch über mir steht; Ich selbst habe einen Person verletzt, welche hierarchisch unter mir steht; Ich wurde von einer Person verletzt, welche mit mir auf der gleichen Ebene steht.

Die drei Kategorien Opfer, Täter und Partner

Daraus ergeben sich eben die drei Kategorien: Opfer, Täter, Partner. Je nachdem, zu welcher Kategorie ich selbst gehöre, ist die Form der Versöhnung anders.

Wenn wir ganz exakt sein wollen, müssen wir noch ergänzen, dass es sich bei den beiden Formen der Opfer und Täter nicht nur um ein Verhältnis zwischen handelnden Personen handelt. Denn ich kann auch ein Opfer der Umstände oder des Schicksals werden, ohne dass eine andere Person daran beteiligt ist. Was ist damit gemeint? Wir können ohne das Zutun anderer Opfer werden, indem wir beispielsweise eine Naturkatastrophe erleiden. Manche Menschen werden von einer Lawine erschüttert oder verlieren ihre Familie bei einem Tsunami. Dafür trägt sicherlich keine andere Person die Verantwortung. Trotzdem bin ich selbst in eine Opferrolle geraten und dies ist schwer zu ertragen. Denn neben der Verarbeitung des Verlustes arbeiten sich die Menschen oftmals an quälenden Fragen ab: ‚Warum hat es gerade mich und meine Liebsten getroffen?‘; ‚Womit habe ich das verdient?‘; ‚Hätte ich die Katastrophe verhindern können, wenn ich anderes entschieden hätte oder aufmerksamer gewesen wäre?‘. Solche Fragen wiegen schwer als eine Last auf unserer Seele und es ist nicht leicht, davon nicht erdrückt zu werden, sondern für sich selbst eine versöhnliche Lösung zu finden.

Umgekehrt kann ich als Täter auch einen großen Schaden anrichten, welcher sich nicht direkt auf andere Personen bezieht. Wenn ich beispielsweise aus Leichtsinn einen Wald zum Abbrennen bringe oder als Schiffskapitän eine Ölkatastrophe auslöse, so kann auch dies die Seele des Menschen schwer belasten.

Partnerschaft um des Nutzens, der Lust oder der Person selbst willen

Anders ist es bei den Partnern. Eine Partnerschaft ist immer nur zwischen handelnden Personen möglich. Dabei ist es egal, um welche Form von Partnerschaft es sich handelt. Aristoteles unterscheidet in seiner Nikomachischen Ethik zwischen drei Formen der Partnerschaft oder Beziehung. Diese werden unterschieden nach dem Zweck um welchen willen sie geschlossen worden sind. Die äußerste Form ist die Geschäftsbeziehung. Diese wird um des Nutzens willen eingegangen. Beide Seiten haben wechselseitig einen Nutzen von einander: Der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers; Der Arbeitnehmer die Bezahlung durch den Arbeitgeber.

Die nächste Form der Beziehung ist diejenige, welche um der Lust willen geschlossen wird. Dies ist beispielsweise in Sportvereinen oder bei Partys der Fall. Man trifft sich, um gemeinsam eine gute Zeit zu haben. Auch Affären fallen unter das Prinzip der Lust.

Eine Person zu lieben heißt sie zu lieben, weil sie so ist, wie sie ist.

Die tiefste Form der Beziehung ist die wahre Freundschaft oder die echte Liebe. Diese Partnerschaft beruht auf der Wertschätzung der Person selbst. Man liebt die Person, weil sie so ist, wie sie ist, man achtet den Freund, weil er so ist, wie er ist.

Diese letzte Form von Partnerschaft ist diejenige, welche emotional am tiefsten geht. Sie ist am belastbarsten von allen Formen der Partnerschaft, aber sie führt auch zu den tiefsten Verletzungen, wenn die Beziehung scheitert oder zu Ende geht.

Bei allen Formen der Partnerschaft handelt es sich aber um das Verhältnis zwischen zwei handelnden und fühlenden Subjekten und vielleicht ist es hilfreich, wenn wir an dieser Stelle auch die Kategorien des Opfer und des Täters auf das Verhältnis zwischen Personen reduzieren, denn dies ist die mit Abstand häufigste Form, in welcher diese auftreten.

Welche Struktur hat das hierarchische Verhältnis der Personen zueinander?

Das hierarchische Verhältnis zu den anderen Personen bestimmt sich also als unter, über oder neben der anderen Person stehend und daraus ergeben sich die Formen Opfer, Täter und Partner. Wie können wir dies genauer verstehen?

Wenn jemand Opfer von jemanden anderem geworden ist, dann bedeutet dies, dass die andere Person sich radikal gegen meinen Willen durchgesetzt hat und ich keine Möglichkeit hatte mich zu wehren, bzw. mich gegen die Übermacht des anderen durchzusetzen. Das gleiche gilt für den Täter, nur anders herum: Er hat sich radikal gegen den Willen des Opfers durchgesetzt. Genau dies macht diesen wiederum zum Täter. Opfer und Täter sind somit Kategorien, welche sich wechselseitig bedingen.

Auch die Kategorie der Partner ist wechselseitig bedingt, allerdings anders. Partner kann ich ja nur in Bezug auf einen anderen Menschen sein. Wenn ich dann aber in Bezug auf diesen Partner bin, so ist auch dieser wiederum Partner im Bezug auf mich. Wenn also zwei Menschen eine Partnerschaft eingehen, bestimmen sie sich wechselseitig als Partner.

Damit sind sie aber beide als gleich anzusehen. Dies bedeutet natürlich nicht, dass sie vollkommen gleich sind, denn beide sind ja einzigartige Individuen, mit all ihren Vorzügen und Nachteilen. Aber als Partner sind sie gleich. Damit stehen sie hierarchisch auf derselben Ebene. Dies bedeutet, dass Menschen in einer Partnerschaft grundsätzlich als gleichwertig anzusehen sind.

Es ist wichtig zu verstehen, dass das Verhältnis der Partner zueinander nicht wesentlich von deren Eigenschaften bestimmt ist, sondern von der Form der Partnerschaft überhaupt. Wenn beispielsweise der Partner deutlich älter als seine Partnerin oder sein Partner ist – und umgekehrt – so macht dies in der Hierarchie keinen Unterschied: Als Partner stehen beide auf der selben Ebene. Die Vorzüge und die Nachteile, welche beide einbringen sind natürlich sehr verschieden: Der ältere Teil in der Beziehung bringt Erfahrung, Lebensweisheit, vielleicht Wohlstand, wertvolle Kontakte und Welterfahrenheit ein. Der jüngere Teil bringt dagegen Unbekümmertheit, Frische, Jugend, Lebensfreude und Begeisterungsfähigkeit in die Beziehung ein.

In der Partnerschaft sind die Teilnehmer gleichberechtigt. Punkt.

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Welche dieser Qualitäten ist nun wertvoller? Auf diese Frage gibt es keine wirkliche Antwort. Denn den wirklichen Wert dieser Qualitäten bestimmt der jeweilig andere Partner. Je nachdem in welcher Situation er sich befindet und welches seine Bedürfnisse sind: Am Gipfel meines Erfolges brauche ich vielleicht eher jemanden, der mit mir mitfeiert und spaßorientiert ist. Am Tiefpunkt meiner Karriere eher jemanden, der einfühlsam ist und mich in der Niederlage nicht verlässt.

Was bedeutet dies nun für unser Thema? Innerhalb der Partnerschaft wird das wesentliche Verhältnis der Partner zueinander nicht durch eine Hierarchie von Eigenschaften bestimmt. Denn deren Wert ändert sich, je nachdem in welcher Phase des Lebens ich mich gerade befinde. Partner stehen grundsätzlich auf der selben Ebene. Ob dieses Verhältnis gut oder schlecht gelingt, ist dafür unerheblich.

Partnerschaften sind nicht auf die Kategorien Opfer und Täter reduzierbar.

Vielleicht hilft uns aber noch ein anderer Gedanke die besondere Kategorie der Partnerschaft zu verstehen. Wenn wir nämlich oben davon gesprochen haben, dass sich Täter und Opfer dadurch generieren, dass der eine gegenüber dem anderen seinen Willen absolut gegen den Willen des anderen durchsetzt und zwar so, dass das Opfer keine Möglichkeit hat, seinen Willen durchzusetzen und zu bewahren, dann können wir bei den Partnern feststellen, dass es hier anders ist. Eine Partnerschaft wird von beiden Seiten freiwillig geschlossen. Dies bedeutet, dass jederzeit jeder der beiden Partner die Beziehung beenden könnte, wenn er dies will (ich setzte hierbei voraus, dass es sich nicht um eine Zwangsehe, Menschenhandel oder ähnliches handelt). Eben weil die Partnerschaft von beiden Seiten freiwillig eingegangen wird, kann sie nicht auf die Kategorien Täter und Opfer subsumiert werden.

Natürlich kommt es in Partnerschaften vor, dass der eine dem anderen Unrecht tut, dass er lügt, heimlich den Partner betrügt oder auch emotional ausbeutet. Aber es ist dennoch immer noch so, dass der andere Partner die Möglichkeit hat zu gehen und sich gegen den toxischen Partner zu entscheiden. Dies mag schmerzvoll sein oder einen hohen Preis kosten: Jeder der beiden Partner hat die Möglichkeit dazu, wenn er dies will!

Natürliche und funktionale Hierarchien

Bevor wir auf die Unterschiede in den Formen der Versöhnung eingehen, ist es noch wichtig, sich darüber klar zu werden, dass es innerhalb der Hierarchien noch eine wichtige Unterscheidung gibt. Es gibt nämlich Hierarchien, welche ich ‚natürlich‘ nenne, und solche, welche ich ‚funktional‘ nenne.

‚Natürlich‘ ist eine Hierarchie dann, wenn sie von Natur aus vorhanden ist. Diese Art von Hierarchie bezieht sich auf das Wesen der Personen und deren Verhältnis zueinander, nicht auf deren Eigenschaften. Diese Art von Hierarchie ist elementar und substanziell. Für unser Leben ist sie wichtiger als alle anderen funktionale Formen, welche uns sonst noch im Leben begegnen.

‚Funktional‘ ist eine Hierarchie dann, wenn sie sich nicht natürlich, sondern nur aufgrund von bestimmten Eigenschaften ergibt. Bemerkenswerterweise gibt es eine ganze Fülle von funktionalen Hierarchien, wohingegen es nur ganz wenige natürliche Hierarchien gibt.

Die natürlichen Hierarchien

Von den fundamentalen natürlichen Hierarchien gibt es überhaupt nur zwei Formen:

  1. Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern
  2. Das Verhältnis zwischen Partnern echten Freunden

Alle natürlichen hierarchischen Verhältnisse sind Liebesverhältnisse.

Dabei ist wichtig zu verstehen, dass die natürlichen hierarchischen Verhältnisse Liebesverhältnisse sind. Dies ist die stärkste Form der Bindung, welche wir kennen und kennenlernen dürfen. Es ist aber gleichzeitig das Verhältnis, welches am störanfälligsten ist. Wenn ein Liebesverhältnis gelingt ist dies wunderbar! Wenn aber ein Liebesverhältnis misslingt, ist dies vernichtend und kann uns in schwere psychische Krankheiten stürzen.

Über das Verhältnis zwischen Partner ist oben bereits hinlänglich gesprochen worden. Deshalb wollen wir hier die natürliche Hierarchie zwischen Eltern und Kindern betrachten.

Das Verhältnis zu den Eltern und Kinder wird nicht durch Eigenschaften bestimmt, sondern durch das grundsätzliche hierarchische Verhältnis

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Im Verhältnis zwischen den Eltern und den Kindern wird es besonders deutlich, dass nicht die Eigenschaften das Verhältnis wesentlich bestimmen, sondern das grundlegende Beziehungsverhältnis. Eltern stehen hierarchisch über ihren Kindern. Dies gilt für beide Seiten: Egal ob ich Kind oder Vater oder Mutter bin. Wenn ich Vater oder Mutter bin, trage ich die Verantwortung für das Aufwachsen meiner Kinder, solange sie noch klein und noch nicht erwachsen sind. Dass die frühkindliche Prägung in ihrer Bedeutung dabei kaum überschätzt werden kann, ist hinlänglich belegt. Leider sind die Erkenntnisse der Forschung längst noch nicht hinreichend in das normale Bewusstsein vorgedrungen.

Eben weil zwischen Eltern und Kinder ein wesentlich hierarchisches Liebesverhältnis besteht, ist die Störung dieses Verhältnisses der Nährboden für psychische Krankheiten.

Gerade im Verhältnis von Eltern zu Kindern wird deutlich, wie sehr dieses von Liebe geprägt ist. Alle Eltern lieben ihre Kinder, wenn sie selbst psychisch gesund und liebesfähig sind. Leider ist dies nicht immer der Fall. Die Abwesenheit der elterlichen Liebe führt bei den Kindern notwenig zu großem Leid und zu psychischen Krankheiten, welche meistens erst im Erwachsenenalter ausbrechen und dringend behandlungsbedürftig sind.

Dahingegen sind die Kinder nichts anderes als reine Liebe! Gerade die ganz kleinen Kinder sind durch und durch von Liebe für ihre Eltern bestimmt. Sie sind so auf die Welt gekommen und können nicht anders. Diese reine Liebe wird im Laufe des Lebens abgemildert, aber sie durchzieht unser ganzes Leben und sie hört selbst dann nicht auf, wenn ich Schreckliches mit meinen Eltern erlebt habe und sie mir Schreckliches angetan haben. Genau dies führt ja zu dem tiefen Konflikt der Kinder, welcher nur schwer zu bewältigen ist und welcher sich im Auftreten von psychischen Krankheiten zeigt: Dass ich die Menschen, welche mir Schreckliches angetan haben, dennoch kindlich liebe.

Die Bewältigung dieses Konfliktes ist nur unter professioneller Anleitung möglich. Denn es ist eine große Kunst einerseits die Liebe zu den Eltern trotz allem anzuerkennen, ohne dass dies für mich bedeutet, dass ich mich selbst aufgebe und auf meine Emanzipation verzichte.

Wenn dagegen das Liebesverhältnis zwischen Eltern und Kinder gesund ist, so kann es die schönsten Früchte tragen. Diese sind das Erblühen der Kinder in ihrem eigenen Leben. Für die gesunden Eltern gibt es nicht Schöneres zu sehen, als die Blüte ihrer Kinder, eine Blüte, welche sie möglicherweise selbst erlebt haben, möglicherweise auch nicht. Aber auch dann wird das Aufblühen der Kinder ohne Missgunst und narzisstische Selbstaufwertung erlebt. Ich fürchte jedoch, dass dies nur selten der Fall ist.

Die Ursachen für psychische Erkrankungen, welche in der Kindheit liegen, sind meistens verdrängt.

Umgekehrt lässt dagegen das Auftreten psychischer Krankheiten den Rückschluss zu, dass es in der Kindheit zu einer Störung des Liebesverhältnisses zu den Eltern gekommen ist.

Dabei kommt es zu dem Phänomen, welches allen Therapeuten bestens bekannt, dem Klienten aber meistens unbekannt ist: Die meisten Menschen, welche sich wegen einer psychischen Erkrankung in Behandlung geben, sind der Auffassung, dass sie eine unbeschwerte und glückliche Kindheit hatten. Dies ist aber völlig unmöglich, da ja gerade die Störung im Liebesverhältnis zu den Eltern die Ursache mannigfacher psychischer Erkrankungen sind.

Der Klient hat also die Störungen und Schmerzen aus der Kindheit verdrängt und kann sich zunächst überhaupt nicht mehr erinnern. Aufgabe der Therapie ist es dann, den Klienten behutsam zu dem wirklich Erlebten aus seiner Kindheit zurück zu führen, um die ausgegrenzten Anteil im Seelenleben des Klienten wieder zu integrieren. Gerade hier ist die Kompetenz des Therapeuten und der geschützte Raum eines healing environments besonders wichtig.

Quellenangaben
  • Epiktet: Handbüchlein der Moral, Zürich 1996
  • Aristoteles: Werke in deutscher Übersetzung, hrsg. v. H. Flaschar, Bd. 6, Nikomanische Ethik, Buch VIII & IX, Berlin 1960
Dr. Gerhard Hofweber
Philosoph und Autor Dr. Gerhard Hofweber
Dr. Gerhard Hofweber ist Philosoph und Autor. Seine Schwerpunkte liegen auf den Themen Metaphysik, psychische Gesundheit und sinnerfülltem Leben. Seit über 25 Jahren begleitet Dr. Hofweber Menschen in essentiellen Lebenssituation und existenziellen Lebensfragen. Sein vielseitiges Schaffen bildet sich auch in seinen Büchern ab.