von Dr. Gerhard Hofweber
Die Beiträge zur Philosophie der psychischen Gesundheit reflektieren unser Gefühlsleben, seine Störungen und seine Ordnung aus einer philosophischen Perspektive heraus. Die philosophische Betrachtung eröffnet neue Blickwinkel, lädt uns ein, bekannte Dinge neu zu betrachten und somit uns und die Welt neu kennen zu lernen.
Sie kann einen therapeutischen Prozess nicht ersetzen, aber sehr wohl unterstützen und damit sehr hilfreich für Ihren individuellen Erkenntnis- und Genesungsprozess sein.
Im letzten Beitrag zur Philosophie der psychischen Gesundheit haben wir uns näher mit dem Thema Depression befasst und diese aus einer philosophischen Perspektive heraus betrachtet. Der Ausgangspunkt war, dass Depressionen oftmals aus einer Störung des natürlichen hierarchischen Verhältnis zwischen Eltern und Kinder entstehen. Die Kinder sind dabei, so lange sie Kinder sind, als Opfer zu verstehen. Dies bedeutet, dass ihnen ein Schaden zugefügt worden ist, gegen den sie sich schlicht und ergreifend nicht haben wehren können. Ihr eigener Wille wurde nicht respektiert und die Übermacht der Eltern hat den kindlichen Willen gebrochen. Dies klingt hart. Es ist aber die Realität und diese ist manchmal sehr hart.
Wenn hier von ‚Opfer‘ gesprochen wird, so ist dies in keiner Weise abwertend oder despektierlich gemeint. ‚Opfer‘ bedeutet nur, dass die betreffende Person keine Möglichkeit hat, sich gegen die Übermacht der Täter durchzusetzen. Wenn wir an ganz kleine Kinder denken, ist dies sofort verständlich. Denn wie soll sich ein Kind gegen die Eltern durchsetzen? Dies ist nicht möglich, denn es ist den Eltern ausgeliefert.
Ich will dies an einem Beispiel erläutern, welches ich vor ca. 20 Jahren erlebt habe. Dieses Erlebnis hat mir die Augen geöffnet für die immanente Logik der Depression, so wie ich sie im letzten Beitrag beschrieben habe. Dieses Beispiel hat mir auch gezeigt, wie sehr die meisten Eltern ihre eigene Rolle in Bezug auf ihre Kinder vollkommen missversehen. Ich werde darauf nach der Darstellung des Beispiels zurückkommen.
Die Entstehung der Depressionen durch eine Störung des natürlichen Verhältnisses zwischen Eltern und Kindern
Im letzten Beitrag zur Philosophie der psychischen Gesundheit habe ich das Grundgefühl eines an Depression erkrankten Menschen wie folgt beschrieben
Bevor wir uns fragen, wie ein solches Gefühl, insbesondere als Grundgefühl, überhaupt entstehen kann, möchte ich Ihnen von einem Fall erzählen, der mir genau in der Form, wie ich ihn erzähle, begegnet ist.
Eine Managerin war bei mir im Coaching. Eines Tages fragte sie mich, ob ich mich einmal mit ihrem Sohn unterhalten könnte. Dieser sei Anfang 20 und hätte Schwierigkeiten, seinen Weg ins Leben zu finden. Er hätte schon mehrfach Ausbildungen abgebrochen. Jetzt hätte er eine Ausbildung zum Koch begonnen, aber auch hier gäbe es Schwierigkeiten. Er erscheine oftmals nicht zur Arbeit und stehe kurz vor dem Rauswurf. Sie können sich keinen Reim darauf machen, was in ihrem Sohn vorgehe. Ob ich nicht einmal mit ihm sprechen könne?
Ich bejahte die Anfrage und so kam es zu dem Gespräch mit dem jungen Mann. Also saß mir kurz darauf ein ziemlich normal scheinender junger Mann vor mir. Er wirkte allerdings leidgeplagt, verunsichert und latent resigniert. Allerdings erzählte er mir auch von seiner Depression, seiner Antriebsschwäche und Lustlosigkeit.
Nachdem er mir sein Geschichte erzählt hatte, fragte ich ihn, ob es denn richtig sei, dass er in seiner neuen Ausbildungsstelle in Schwierigkeiten geraten sei, was er bejahte. Worin denn die Schwierigkeiten bestünden, fragte ich ihn. Er berichtete mir dann, dass er insbesondere dann, wenn er am dringendsten gebraucht würde, nicht zur Arbeit erschiene. Als ich ihn darauf hin fragte, was er stattdessen mache, wenn er nicht zur Arbeit erschiene, antwortete er mir so: Er mache gar nichts. Er schalte sein Handy aus und bleibe einfach im Bett.
Als ich dann fragte, warum er das täte gab er mir eine Antwort, welche mich sehr nachdenklich machte und mir schließlich dabei half, die immanente Logik der Depression zu verstehen.
Er sagte nämlich zu mir: „In meinem Leben kann ich eh nichts entscheiden, aber wenigstens dies (das Zuhause bleiben) kann ich entscheiden.“.
Bitte machen Sie sich diesen Gedanken klar: Wenn ich eh nichts entscheiden kann, dann zumindest dies, mich den Anforderungen zu verweigern.
In zwei Punkten hätte der junge Mann absolut recht. Dabei müssen wir allerdings voraussetzen, dass er er tatsächlich nichts zu entscheiden hat. Wenn er nämlich tatsächlich nichts zu entscheiden hätte, dann hat er in dem Sinn Recht, dass er wenigstens die Verweigerung selbst entscheiden kann. Wenigstens dies nämlich, kann er entscheiden. Niemand kann ihm diese Entscheidung nehmen und er selbst kann damit für sich im Reinen sein.
Die Konsequenzen gehen aber noch weiter. Denn es gibt keine Handlung ohne Entscheidung! Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob ich mir der Entscheidung bewusst bin oder sie ohne Nachdenken intuitiv treffe. Sie entscheiden bedeutet, die entsprechende Handlung zu wollen. Eine Handlung zu wollen bedeutet, sie unter den gegebenen Umständen für richtig zu erachten. Wenn ich auf die Straße trete und überfallen werde, habe ich nicht mehr viele Möglichkeiten. Jemand hält mir die Pistole auf die Brust und schreit: „Geld oder Leben!“. Das ist bedrohlich. Freilich habe ich mir diese Situation nicht ausgesucht und wäre ich nicht in ihr, hätte ich mehr Optionen zu handeln. Nun stehe ich aber nun einmal in dieser Situation und es bleibt mir keine andere Wahl, als mich zwischen den beiden Optionen zu entscheiden. Was soll ich nun tun? Egal, wofür ich mich entscheide: Die Entscheidung liegt bei mir.
Wenn ich mir etwas anderes wünschen könnte, wäre ich überhaupt nicht in dieser Situation. Aber jetzt bin ich es und ich muss mich entscheiden. Entweder gebe ich dem Räuber mein Geld oder sage: „Erschieß mich! Aber mein Geld bekommst du niemals!“.
Es kann jeder selbst für sich überlegen, wofür er sich entscheiden würde. Das Wichtige ist, dass selbst unter diesen radikalen Umständen die Entscheidung bei mir liegt. Je nachdem, was ich unter den gegebenen Umständen für richtig empfinde, dies ist der Maßstab für mein Handeln.
Wenn wir dies auf unser Beispiel des jungen Mannes beziehen wollen, dann bedeutet dies, dass er tatsächlich auch unter den schlimmsten Umständen noch die letzte Instanz der Entscheidung bei sich hat und in diesem Sinne autonom handeln kann.
Aber wir dürfen nicht vergessen zu fragen, ob die Situation, welche der junge Mann für sich so erlebt, auch an sich tatsächlich so ist.
Der andere Punkt, in welchem unser Kandidat Recht hat, ist subtiler. Dazu muss ich kurz auf den letzen Beitrag zur Philosophie der psychischen Gesundheit rekurrieren, in welchem die Idee des Willens zur Macht bei Friedrich Nietzsche angeschnitten wurde. Der Wille, als die treibende Kraft, würde sich nämlich in seiner Wirkung entfalten. Um so mehr Wirkung erzielt, um so mehr kann er sich entfalten.
Und nun überlegen Sie bitte, wie jemand, der antriebslos, an Depression erkrankt, kraftlos und scheinbar willenlos ist, am meisten Wirkung entfalten kann. Wie? Indem er sich dann verweigert, wenn er am dringendsten gebraucht wird und damit diejenigen Leute enttäuscht, die am meisten auf ihn gezählt haben! Durch die selbst empfundene und im Handeln auch tatsächlich ausgeübte Passivität evoziert er eine enorme Wirkung. Denn er schafft es, durch sein ‚Nichthandeln’ bei den Leuten, für die er wichtig ist, eine solche enorme Wirkung zu erzielen, die er durch sein reales Handeln niemals erzielen könnte.
Genau zu dieser Thematik ist im Süddeutschen Magazin im April 2016 ein bemerkenswerter Aufsatz erschienen. Er trägt den Titel Ein Mann löst sich auf und in ihm beschreibt ein Redakteur anonym autobiographisch seine eigene Magersucht. Ich halte diesen Artikel für absolut lesenswert und für eines der authentischsten Zeugnisse im Umgang mit der Krankheit, die mir je begegnet sind. Der anonyme Autor beschreibt den Hergang seiner Krankheit, wie er sich von der Fettleibigkeit zur Magersucht entwickelt hat. Er beschreibt sein eigenes Gefühlsleben hoch analytisch und allein dies macht deutlich, dass er als Erkrankter vollkommene Klarheit über seinen Zustand hat. Er erlebt diesen jedoch nicht nur negativ, sondern gerade die Kontrolle über seinen Leib und sein Essverhalten geben ihm ein großes Gefühl von Erhabenheit. Ich bestimme, was gegessen wird.
Dies gilt freilich für jeden Menschen, der isst. Aber der gesunde Mensch und selbst der kranke Mensch, welcher nicht unter einer Essstörung leidet, verbindet niemals mit dem Essverhalten das Maß an Kontrolle und Machtgefühl, welches der an einer Essstörung (Magersucht, Bulimie etc.) Erkrankte empfindet. Besonders aufschlussreich an dem Beitrag des Autors waren für mich die folgenden Sätze:
Die subtile Form der Rache als Ausdruck der Krankheit
„Zum Übergewicht vor knapp zehn Jahren war es nicht von heute auf morgen gekommen. Es war der Klassiker: Scheidung der Eltern zu Beginn der Pubertät. Ich trauerte still vor mich hin. Und ich aß. Und aß. Und aß. Meine Verwandten ließen es zu, beim Familientreffen am Wochenende gab es immer das extra Stück Kuchen. Auch meine Mutter schritt nie klar und deutlich ein, machte keine Ansage, sprach mich nie auf mein immer deutlicher sichtbares Übergewicht an. Das habe ich ihr lange zum Vorwurf gemacht. Klar, man sucht nach Schuldigen. Wahrscheinlich war sie schlicht zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt. Neue Beziehung, Berufswechsel. Ich verzeihe ihr heute diesen Fehler, vergessen werde ich ihn ihr nie können. Und ich habe es ihr weiß Gott heimgezahlt. Nicht nur ihr. Ich kann nicht an beiden Händen abzählen, wie vielen Menschen ich mittlerweile Kummer und Verzweiflung beschert habe. Ich kann auch nicht sagen, dass ich das ungeschehen machen wollte. So sehr ich mich auch bei diesem Gedanken schäme: Meine Magersucht war und ist auch eine stille Form der Rache an allen, denen ich am Herzen liege. Dafür, verlassen worden zu sein, vermeintlich nicht genug Liebe abbekommen zu haben. Der eigene Körper als letzte Bastion der Macht gegenüber anderen. Dass ich damit vor allem und am härtesten mich selbst bestraft habe (und immer noch bestrafe), nehme ich in Kauf.“.
Dieses Zeugnis macht besonders deutlich, wie intensiv der Krankheitsgewinn bei einer Essstörung erlebt werden kann. Die subtile Rache an denjenigen, denen er am Herzen liegt ist wichtiger als die eigene körperliche und seelische Gesundheit. In der Wirkung, die der erkrankte Mensch an seinen Liebsten erzielt, entfaltet sich sein Wille zur Macht. Denn der Wille will wirken und dies tut er in seiner kranken Form am stärksten, indem er die anderen in die Verzweiflung und in die Hilflosigkeit stürzt
Dass es sich dabei aber um eine Krankheit handelt, dass sich der eigene Wille gegen sich selbst richtet, dass dabei die eigene seelische und körperliche Gesundheit zerstört wird, nimmt die Person in Kauf.
Genau diese Lust an der eigenen Macht, welche einen gewissen Suchtcharakter hat, macht die Therapie so schwer. Denn diese kann ja nur dann erfolgreich sein, wenn der Klient aus dem negativen Zirkel ausbrechen möchte und eine Form der Lust für sich entdecken möchte, welche weder für andere, noch für ihn selbst destruktiv ist.
Dies erfordert einen langen, intensiven Prozess, welcher in solchen Fällen nur noch stationär und in längerer professioneller Begleitung möglich ist. Ein healing environment ist hier besonders wichtig, weil die tief liegende, verborgene Wunde wie ein offener Nerv ist und es bedarf auf der einen Seite sehr viel Feingefühl, auf der anderen Seite absolute Klarheit über die eigene Situation, damit überhaupt der Versuch gemacht werden kann, wieder gesund zu werden. Die klare Kommunikation von Seiten der Ärzte und Therapeuten über den Zustand und die mögliche Lebensperspektive des Patienten ist hier besonders wichtig.
Die seelischen Ursachen für die Depression
Wenn wir an die beiden Männer, die eben beschrieben worden sind, denken, ist es wichtig, sich die Frage zu stellen, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Wie kann ein junger Mann zu der Auffassung kommen, dass er mit seinem Handeln eh nichts bewirken könne? Wie ist es möglich, sich so ohnmächtig zu fühlen, dass man am liebsten das Handeln ganz verweigern würde?
Die wahrscheinlichste Antwortet: Weil er es von frühster Kindheit an so erfahren hat. Wir haben ja bereits gesagt, dass vor allem die kleinen und kleinsten Kindern ihren Eltern absolut ausgeliefert sind. Wenn die Eltern ihnen das nicht geben, was sie brauchen, muss sich das Kind innerlich abspalten, um mit diesem Mangel überleben zu können.
Was ist es aber, was die Kinder brauchen, um gesund aufwachsen zu können? In erster Linie das Gefühl, von den Eltern geliebt zu sein; dann: angenommen zu werden, so wie es ist; von den Eltern gesehen und wahrgenommen werden; als Kind Kind sein dürfen ohne einer Überforderung durch die Erwartungshaltung der Eltern zu unterliegen; jederzeit Schutz und Trost bei den Eltern zu finden, wenn es von dem Kind gebraucht wird.
Kinder, welche bei Eltern aufwachsen, die dies vermögen, wachsen gesund auf. Dabei ist auch klar, dass niemand seinem Kind immer genau das geben kann, was es braucht oder immer in der Lage ist, dies zu tun. Dies ist aber nicht das Entscheidende: Das Entscheidende ist, dass dies grundsätzlich erfüllt ist. Kinder nämlich verstehen sehr gut, dass die Eltern nicht immer in der gleichen Weise für sie da sein können. Aber die Eltern müssen prinzipiell dazu in der Lage sein, den Kindern das zu geben, was sie brauchen.
Wenn Kinder an der Liebe satt werden, wachsen sie gesund auf und entwickeln für ihr ganzes Leben eine innere Stärke, welche ihnen dabei hilft, später in ihrem Leben auch schwierige Zeiten relativ gut, aktiv und ohne Ohnmachstgefühle zu überstehen.
Kinder, welche so aufwachsen, dürfen im doppelten Sinne des Wortes als glücklich bezeichnet werden. Denn sie haben die besten Voraussetzungen, um glücklich zu werden und sie haben zugleich Glück gehabt, mit liebesfähigen Eltern aufzuwachsen.
Dies ist aber leider die große Ausnahme. Denn die wenigsten Kinder wachsen so auf. Die meisten Kinder wachsen mit einem Mangel an Liebe auf. Je nachdem, welche Gründe dies bei den Eltern hat, entstehen im Laufe der eigenen Geschichte Krankheiten und Störungen, welche später im therapeutischen und psychiatrischen Prozess aufgearbeitet werden müssen.
Denn wenn die Kinder nicht genügend Liebe erfahren haben, so kann dass verschiedene Gründe haben. Je nachdem, wie intensiv die Abwesenheit der Liebe war, um so intensiver und dramatischer sind später die psychischen Erkrankungen bei den Kindern.
Manche Eltern sind einfach nicht wirklich liebesfähig. Sie wünschen sich vielleicht, liebesfähiger zu sein, aber wenn es darauf ankommt, überwältigt sie selbst die Überforderung und sie können statt mit echter Anteilnahme bei Problemen ihrer Kinder nur noch mit leeren Phrasen und Pseudolebensweisheiten reagieren. Damit wird das Kind in seiner Emotionalität und temporären Not allerdings nicht abgeholt. Es erfährt einen Mangel an Liebe und Schutz und zwar ganz besonders dann, wenn es diese am dringendsten braucht.
Schlimmer ist es aber, wenn die Eltern den Liebesentzug, die Härte gegen das Kind und die Bestrafung nicht aus Unfähigkeit in ihrer eigenen Liebesfähigkeit, sondern ganz bewusst als „Erziehungsmaßnahme“ einsetzten. Die kindliche Gefühlswelt wird dabei nicht nur ignoriert, sondern ganz gezielt zerstört. Die Eltern selbst mögen dies mit besten Wissen und Gewissen machen und selbst der Meinung sein, dass dies alles nur zum Wohl ihres eignen Kindes geschähe. Doch dies ist in Wahrheit nur eine Schutzbehauptung der Eltern, um ihre eigene Krankheit und Härte auf ihre Kinder übertragen zu können.
Am schlimmsten ist es jedoch, wenn die kindliche Seele und der kindliche Körper ganz und gar ausgenutzt und zerstört werden soll. Dies ist dann der Fall, wenn die Eltern kriminelle Handlungen an ihrem eigenen Kind begehen. Darunter fallen sexueller Missbrauch, körperliche Misshandlungen, das Anbieten der eigenen Kinder für Kinderpornographie und andere schreckliche Dinge. Der Schaden, welchen die Kinder hier erfahren, ist erheblich und nur noch schwer zu heilen. Die Eltern jedoch bedürfen nicht der Therapie, sondern der Strafe durch den Gesetzgeber. Aus meiner Sicht zählen diese Dinge nämlich mit zu den schwersten Verbrechen, an denen man sich schuldig machen kann. Hier begegnet uns das wahrhaft Böse.
Was bei all diesen Formen der Verletzung jedoch gleich bleibt, ist, dass die Kinder in Beziehung auf ihrer Eltern als Opfer anzusehen sind. Wie sollte sich denn ein Kind gegen die Übermacht der Eltern wehren können?
Selbst wenn es sich nur um die Liebesunfähigkeit der Eltern handeln sollte: Was soll bitte ein Kind dagegen machen können? Wie sollte es ihm möglich sein, seine eigenen Eltern zu mehr Liebesfähigkeit zu bewegen? Dies ist schlicht unmöglich.
Genau in dieser Erfahrung aber, in der Erfahrung der absoluten Ohnmacht, der Unwirksamkeit des eigenen Handelns, der Hilflosigkeit die Ordnung der Liebe und der Gefühle erwirken zu können, liegt der Keim für die Depression: Egal, was ich tue, ich kann die Situation nicht verändern. Also kann ich mein Handeln auch einstellen. Es macht eh keinen Unterschied.
Wie es aber für den psychisch durch diese Ursachen erkrankten Erwachsenen später Möglichkeiten gibt wieder gesund zu werden und welche Rolle die funktionalen Ordnung dabei spielen, werden im nächsten Beitrag zur Philosophie der psychischen Gesundheit sehen.
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