Essstörungen: Wenn die Ernährung zur Qual wird

Sei schlank, sei fit, sei schön! Ernähre dich gesund und ausgewogen! Treibe Sport! Trage die neusten Trends und setze dich in Szene… Die Botschaften in der Werbung, in den Medien und in unserem Umfeld üben einen ungeheuren Druck aus. Wir sollen einem Schönheitsideal entsprechen, das oft nicht realistisch, sondern durch plakative Werbung und kurze Momentaufnahmen verzerrt ist. Diesen Idealen nachzueifern, birgt die Gefahr, Essstörungen zu entwickeln.

Aber Vorsicht vor voreiligen Schlüssen: Wie bei allen psychischen Erkrankungen gibt es auch für die Entwicklung einer Essstörung viele Ursachen, die zusammenwirken können. Neben dem Einfluss von Medien sind psychische Ursachen wie ein geringes Selbstwertgefühl, Traumatisierungen, Depressionen oder Körperbildstörungen als Grund für eine Essstörung nicht zu vernachlässigen. Informieren Sie sich in diesem Artikel über die häufigsten Essstörungen, ihre Behandlung und den Stellenwert einer gesunden Ernährung für das eigene Wohlbefinden.

Welche Arten von Essstörungen gibt es?

Nicht jede Unzufriedenheit mit dem Körper, jeder Selbstzweifel oder noch so häufige Diäten münden in einer Essstörung. Trotzdem ist die ständige Beschäftigung mit dem Körpergewicht oder der Ernährung durchaus ein Risikofaktor für die Entstehung einer Essstörung. Man sollte sich also der Gefahr bewusst sein, um eine drohende Erkrankung rechtzeitig zu erkennen.

Magersucht (Anorexia Nervosa)

Eine der häufigsten Essstörungen ist die Magersucht (Anorexia Nervosa). 0,2–0,8% der Bevölkerung leiden unter dieser Krankheit (Wittchen & Hoyer, 2006). Betroffene haben eine ausgeprägte Angst vor einer Gewichtszunahme und weigern sich, ein minimales Gewicht einzuhalten bzw. zu erreichen. Wie bereits angedeutet liegt oft eine Körperbildstörung vor, das heißt, die Wahrnehmung des Körpers und des Gewichts ist verzerrt. Beispielsweise sehen die Betroffenen im Spiegel nicht, dass sie objektiv zu dünn sind, sondern nehmen sich immer noch als zu dick wahr. Die Krankheit wird häufig geleugnet.

Das Gewicht und das Aussehen sind bei dieser Erkrankung zentral für das Selbstwertgefühl und die Gedanken kreisen nur noch um dieses Thema. Bei Frauen bleibt die Monatsblutung aufgrund des Untergewichts aus. Die Nahrungsaufnahme wird als quälend wahrgenommen. Jeder Bissen wird innerlich diskutiert. Das Zählen der Kalorien ist wie eingebrannt und kann nicht unterlassen werden.

Bulimie (Bulimia Nervosa)

Ebenso häufig wie Magersucht tritt die Bulimia Nervosa (auch Bulimie/Ess-Brech-Sucht genannt) auf. Erkrankte Personen leiden unter sogenannten „Fressattacken“, die wiederholt auftreten. Hierbei wird übermäßig viel Nahrung innerhalb kürzester Zeit aufgenommen. Die Betroffenen berichten über einen kompletten Kontrollverlust. Nach der Fressattacke treten starke Schuldgefühle auf und das Verhalten wird kompensiert. Oft wird Erbrechen absichtlich herbeigeführt. Teilweise wird aber auch auf Abführmittel, Fastenkuren oder übermäßigen Sport zurückgegriffen, um die Kalorienzufuhr auszugleichen. Auch bei dieser Störung beschäftigen sich die Betroffenen gedanklich extrem viel mit ihrem Gewicht und ihrem Aussehen.

An der Tagesordnung sind Gefühle wie beispielsweise:

  • Schuld
  • Ekel
  • Scham
  • Selbstabwertende Gedanken

Treten die „Fressattacken“ auf, ohne dass absichtlich Erbrechen oder mit Medikamenten abgeführt wird, spricht man von einer Binge-Eating Störung.

Weitere Störungsbilder

Auch eine Sport- oder Fitnesssucht darf im Zusammenhang mit Essstörungen nicht unerwähnt bleiben, obwohl diese Suchterkrankung auch allein auftreten kann. Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie auf dieser Website. Momentan wird diskutiert, ob eine neue Störung mit dem Namen Orthorexia Nervosa eingeführt wird. Es handelt sich um eine Essstörung, bei der die übermäßige Beschäftigung mit der Qualität von Lebensmitteln zu psychischer oder körperlicher Beeinträchtigung führt. Salopp übersetzt könnte man von einer Sucht nach gesunder Ernährung sprechen.

Essstörungen überwinden

In schweren Fällen der Magersucht muss eine stationäre Aufnahme erfolgen. Extremes Untergewicht stellt eine hohe Gesundheitsgefährdung dar: Nierenversagen, Herzrhythmusstörungen und Infektionen können lebensbedrohlich sein! Betroffene müssen zunächst körperlich stabilisiert werden, bevor weitere Therapiemaßnahmen begonnen werden können (Wittchen & Hoyer, 2006).

Grundprinzipien der Behandlung

In weniger gravierenden Fällen kann die psychotherapeutische Behandlung sofort beginnen und zwar im ambulanten oder stationären Setting. Meistens wird mit den Betroffenen ein Therapievertrag geschlossen, der beinhaltet, dass pro Woche eine festgelegte Gewichtszunahme erfolgen muss und das Nahrungsmittel, die sonst vermieden wurden, auf den Speiseplan zurückkehren. Für beide Störungen, Magersucht und Bulimia Nervosa sind kognitive Behandlungsverfahren gut erforscht, die die falschen Überzeugungen der Patienten in Bezug auf das Körpergewicht verändern sollen. Betroffene lernen, welche Folgen die Essstörung haben kann und in welchem Teufelskreis aus Hungern und gegebenenfalls unkontrolliertem Essen (bei Bulimie) sie sich befinden.

Ganzheitliches Vorgehen

Bei jüngeren Patienten wir das Umfeld im Rahmen einer Familientherapie aktiv mit einbezogen. Die Auslösebedingungen und die Faktoren, die die Essstörung aufrechterhalten, werden gemeinsam mit dem Therapeuten erforscht. Tieferliegende psychische Konflikte werden behutsam aufgearbeitet. Die verzerrte Wahrnehmung des eigenen Körpers wird in der Körperschematherapie durch Übungen zur Körperwahrnehmung normalisiert (Paul & Jacobi, 1991). Auch der Einfluss der Medien auf unser Schönheitsideal wird thematisiert. Am Ende der Therapie stehen die Stabilisierung und die Rückfallprophylaxe im Vordergrund. Weitere Informationen zum Thema Essstörungen bietet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Gesunde Ernährung im Fokus

Eine ausgewogene Ernährung und ein normales Essverhalten sind das Ziel der Behandlung von Essstörungen. Gesunde Ernährung ist natürlich für jeden anders definiert und hängt von den unterschiedlichsten Dingen ab.

Unterschiede ergeben sich beispielsweise durch folgende Dinge:

  • Täglicher Kalorienverbrauch
  • Aktivitätslevel in Freizeit und Beruf
  • Alter
  • Körpergröße

Trotzdem gelten Faustregeln für alle: Gesunde Fette, komplexe Kohlenhydrate, natürliche Eiweiße und viel Obst und Gemüse tun dem Körper gut. Zu viel Zucker, zu viele Fette und Fertigprodukte sind zu vermeiden.

Vorteile ausgewogener Ernährung

Wenn wir uns ausgewogen, bewusst und abwechslungsreich ernähren, dankt es uns der Körper mit genügend Energie und Gesundheit. Auch unsere psychische Leistungsfähigkeit hängt von der Ernährung ab. Je besser wir versorgt sind, desto besser können wir psychischen Herausforderungen begegnen und komplexe Probleme lösen.

Ernährungsberatung

Viele Menschen sind verunsichert, angesichts der Hülle und Fülle an Ernährungsweisheiten und dubiosen Diät- und Ernährungsratgebern. Professionelle und seriöse Hilfe liefert eine Ernährungsberatung durch Experten. Die Kosten werden häufig von den Krankenkassen übernommen. Viele Kliniken, die sich auf die Behandlung psychischer Krankheiten spezialisiert haben, haben eine vollwertige und gesunde Ernährung mit in das Therapiekonzept aufgenommen, um eine ganzheitliche Behandlung zu garantieren. Zum Abschluss ein Aspekt, der bis jetzt noch nicht zur Sprache gekommen ist: Der Genuss! Gutes Essen steigert die Lebensqualität und beflügelt unsere Sinne. Also, nehmen Sie sich die Zeit für die nächste Mahlzeit. Sehen, fühlen, riechen, schmecken… und genießen!

Quellenangaben

(1) Paul, T., & Jacobi, C. (1991). Psychomotorische Therapie in der Behandlung anorektischer und bulimischer Patienten. Bulimia und Anorexia nervosa. Ursachen und Therapie. Berlin: Springer.

(2) Wittchen, H. U., & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie (Vol. 1131). Heidelberg: Springer.

Kategorien: Depressionen

Friederike Reuver
Autor:in Friederike Reuver
"Die LIMES Schlosskliniken haben sich auf die Behandlung von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen spezialisiert. Mit Hilfe des Blogs möchten wir als Klinikgruppe die verschiedenen psychischen Erkrankungen näher beleuchten und verschiedene Therapien sowie aktuelle Themen vorstellen."

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